Rz. 19

Die Rechtsbehelfsbelehrung soll so einfach und klar wie möglich gehalten werden. Im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter ist eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden, die statt Klarheit zu schaffen wegen ihres Umfangs und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiftet. Nach der Auffassung des BFH ist es aus diesem Grund ausreichend, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut "der einschlägigen Vorschrift" wiedergibt.[1]

 

Rz. 20

Der Wortlaut des § 356 Abs. 1 AO verlangt nicht, dass der Beteiligte über die vorgeschriebene Form der Einspruchseinlegung zu belehren ist. Dementsprechend hält der BFH diese nicht für einen notwendigen Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung.[2] Dieser Auffassung folgt der überwiegende Teil der Kommentarliteratur.[3] Sie ist jedoch nicht unbestritten.[4] § 356 Abs. 1 AO verpflichtet die Finanzbehörde, die Beteiligten über den Einspruch zu "belehren", nicht bloß den Einspruch zu bezeichnen. Eine Belehrung über die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs ist aber nur dann sinnvoll, wenn der Beteiligte in den Stand gesetzt wird, alles zu tun, was von seiner Seite aus nötig ist, damit er den Rechtsbehelf wirksam erheben kann.[5] Die Einhaltung der Form ist ein wesentlicher Bestandteil der Einspruchseinlegung. Der Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, die Sicherung des Rechtsschutzes des Beteiligten, gebietet daher m. E. auch eine Belehrung über die Form der Einspruchseinlegung. Aus diesem Grund kann die Rechtsbehelfsbelehrung nur dann als vollständig angesehen werden, wenn sie angibt, in welcher Form der Einspruch erhoben werden kann.[6] Es ist somit nach der hier vertretenen Auffassung darauf hinzuweisen, dass der Einspruch nach § 357 Abs. 1 S. 1 AO schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären ist. Idealerweise sollte – aufgrund der großen Breitenwirkung[7]- auch darauf hingewiesen werden, dass für die elektronische Einreichung eine einfache E-Mail genügt.

Unabhängig von der hier vertretenen Auffassung zur Notwendigkeit einer umfassenden Belehrung über die Form der Einspruchseinlegung ist die Frage zu klären, ob eine unvollständige Aufklärung über die bestehenden Formmöglichkeiten in einer Rechtsbehelfsbelehrung nach § 356 Abs. 2 AO zu deren Unrichtigkeit führt (s. dazu eingehend Rz. 31).

[2] BFH v. 12.12.2012, I B 127/12, BFH/NV 2013, 270; so auch BVerwG v. 13.12.1978, 6 C 77/78, BVerwGE 57, 188 m. w. N., zu dem inhaltsgleichen § 58 VwGO.
[3] Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 356 AO Rz. 5; Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 356 Rz. 14; Werth, in Gosch, AO/FGO, § 356 AO Rz. 15; Siegers, in HHSp, AO/FGO, § 356 AO Rz. 31; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 356 Rz. 12.
[4] Szymczak, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 356 Rz. 8; Dißars, in Zugmaier/Nöcker, AO, 1. Aufl. 2022, § 356 AO Rz. 9; kritisch auch Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 356 AO Rz. 7.
[5] So ausdrücklich BSG v. 11.2.1958, 10 RV 123/56, BSGE 7,1, m. w. N., zu dem mit § 356 AO inhaltsgleichen § 66 SGG.
[6] Ebenso Große/Bludau, DB 2012, 655 (657).

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