Rz. 30

Nach § 347 Abs. 3 AO ist das Einspruchsverfahren nicht gegeben gegen Maßnahmen der Finanzbehörde im Straf- und Bußgeldverfahren wegen Steuerstraftaten[1] oder Steuerordnungswidrigkeiten.[2] Diese Bestimmung hat lediglich deklaratorischen Charakter, da der Finanzrechtsweg bereits aufgrund anderer abweichender gesetzlicher Regelungen ausgeschlossen ist.

Zu beachten ist, dass das Besteuerungsverfahren und das Straf- und Bußgeldverfahren rechtlich voneinander unabhängig sind und sich jeweils nach den für das betreffende Verfahren geltenden rechtlichen Regelungen richten.[3] Für den Rechtsweg ist also grundsätzlich danach zu differenzieren, welche Organisationseinheit aufgrund welcher Rechtsnorm tätig geworden ist.

Die Anhängigkeit eines Steuerstrafverfahrens oder eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit hindert nicht Regelungen der Finanzbehörde in Abgabenangelegenheiten.[4] Werden während des anhängigen Straf- und Bußgeldverfahrens von der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörde i. S. v. § 6 AO Maßnahmen im Besteuerungsverfahren getroffen, z. B. Steuerbescheide erlassen, so ist dies eine Abgabenangelegenheit i. S. v. § 347 Abs. 2 AO, gegen die der Einspruch nach § 347 Abs. 1 AO eröffnet ist.[5]

Für die Frage, ob eine Abgabenangelegenheit vorliegt, ist zu differenzieren:

 

Rz. 30a

Soweit die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO, also das FA, das Hauptzollamt, die Familienkasse und das Bundesamt für Finanzen, in Steuerstraf- oder Steuerbußgeldsachen tätig wird, handelt sie stets als Strafverfolgungsorgan.[6]

 

Rz. 30b

Soweit die Steuer- bzw. Zollfahndung tätig wird, kommt es für die Bestimmung des Rechtswegs darauf an, in welchem Aufgabenbereich die Maßnahme getroffen wird. Hauptaufgabe der Fahndung ist nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO die Ermittlung des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens. Da es sich bei den Normen des Steuerstraf- bzw. Steuerordnungswidrigkeitenrechts zumeist um Blankettgesetze handelt, die durch die Rechtsvorschriften des Steuerrechts ausgefüllt werden, ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in diesen Fällen (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO), d. h. gem. § 199 Abs. 1 AO der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, notwendiger Bestandteil der straf- oder bußgeldrechtlichen Ermittlungen. Diese Einbindung der steuerlichen Ermittlungen in die strafprozessualen Ermittlungen, die zum Ziel die Entscheidung darüber haben, ob Anklage erhoben oder ein Bußgeldbescheid erlassen wird, bewirkt, dass nach Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens[7] von der Steuer- bzw. Zollfahndung getroffene Ermittlungsmaßnahmen keine Abgabenangelegenheiten sind. Hierbei spielt es keine Rolle, ob als Rechtsgrundlage Vorschriften der StPO bzw. das OWiG oder die Vorschriften der AO gewählt werden.

 

Rz. 30c

Vor Einleitung des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens kann die Steuer- bzw. Zollfahndung nur im Rahmen ihrer Aufgabe der Ermittlung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO tätig werden. In diesen Fällen liegt ein die Einleitung des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens rechtfertigender Tatverdacht[8] noch nicht vor, wohl aber die Vermutung straf- bzw. bußgeldrechtlich relevanten Fehlverhaltens. Ziel dieser sog. "Vorfeldermittlungen" ist auch die Klärung der Frage, ob ein Straf- bzw. Bußgeldverfahren einzuleiten ist, vornehmlich dienen insoweit getroffene Maßnahmen aber der allgemeinen Steueraufsichtspflicht der Finanzbehörde[9], die auch mit den Beweisvorschriften der AO durchgeführt werden. Insoweit trifft die Steuer- bzw. Zollfahndung Maßnahmen in Abgabenangelegenheiten.[10]

 

Rz. 30d

Soweit die Steuer- bzw. Zollfahndung steuerliche Ermittlungen auf Ersuchen einer sonst zuständigen Finanzbehörde nach § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO durchführt, z. B. eine Außenprüfung, handelt es sich um Maßnahmen im Besteuerungsverfahren ohne jegliche straf- oder bußgeldrechtliche Intention, sodass insoweit Abgabenangelegenheiten vorliegen.[11]

 

Rz. 31

Für das Strafverfahren wegen Steuerstraftaten[12] ergibt sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bereits aus § 385 Abs. 1 AO i. V. m. § 13 GVG. Das Strafverfahren ist kein Verwaltungsverfahren i. S. dieses Gesetzes. Soweit die Finanzbehörde Funktionen im Strafverfahren wahrnimmt, ist sie ihrem Charakter nach nicht Verwaltungsbehörde, sondern Strafverfolgungsorgan.[13]

 

Rz. 32

Für das Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten[14] ergibt sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bereits aus § 410 AO i. V. m. § 68 OWiG. Das Bußgeldverfahren ist zwar ein förmliches Verwaltungsverfahren[15], die Finanzbehörde[16] ist also Verwaltungsbehörde.[17] Das Verfahren ist aber wegen seiner speziellen Zielrichtung auf die Ahndung steuerlichen Fehlverhaltens den speziellen Verfahrensregeln des OWiG i. V. m. der StPO unterworfen.

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