Rz. 31

§ 850e ZPO regelt die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens. In Abweichung zur Zwangsvollstreckung nach der ZPO ist die Zwangsvollstreckung nach der AO Verwaltungstätigkeit. Im Gegensatz zur direkten Anwendung des § 850e ZPO ist im Rahmen des § 319 AO daher keine Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Berechnung des pfändbaren Einkommens notwendig. Vielmehr betreibt die Vollstreckungsbehörde die Zwangsvollstreckung durch Erlass entsprechender Verwaltungsakte selbstständig. Wie alle Verwaltungsakte müssen auch die der Vollstreckungsbehörde der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entsprechen und sind gerichtlich überprüfbar.[1]

2.6.1 Nettoberechnung (§ 850e Nr. 1 ZPO)

 

Rz. 32

Gemäß § 850e Nr. 1 ZPO ist der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens das Nettoeinkommen des Schuldners zugrunde zu legen. Nach dieser Norm sind vom Bruttoarbeitseinkommen mehrere Beträge abzuziehen: Teil des pfändbaren Arbeitseinkommens sind zunächst nicht diejenigen Beträge, die nach § 850a ZPO der Pfändung entzogen sind. Für Unterhaltsgläubiger ist aber die Sonderregel des § 850d ZPO zu beachten. Weiterhin in Abzug zu bringen sind alle Beträge, die der Arbeitgeber des Schuldners aufgrund steuer- und sozialrechtlicher Vorschriften einbehalten und abführen muss, wie z. B. die Lohn- und KiSt sowie Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Andere Steuern als die, die der Arbeitgeber unmittelbar abführen muss, sind hingegen nicht erfasst. Dies betrifft z. B. dem Auslandsfiskus geschuldete Steuern.[1] Schließlich sind auch Beiträge zu einer Weiterversicherung nach Sozialversicherungsrecht sowie angemessene Beiträge an eine Ersatzkasse oder private Krankenversicherung abzuziehen. Nicht abgezogen werden können jedoch Beiträge für Berufsorganisationen, Spenden u. Ä.[2]

[1] Herget, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 850e ZPO Rz. 1b.
[2] Herget, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 850e ZPO Rz. 1c.

2.6.2 Zusammenrechnung mehrerer Einkommen (§ 850e Nr. 2 ZPO)

 

Rz. 33

§ 850e Nr. 2 ZPO bestimmt, dass für die Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens mehrere Arbeitseinkommen, die aus einem oder mehreren Arbeits- oder Dienstverhältnissen bei einem oder mehreren Arbeitgebern stammen, zusammenzurechnen sind. Nicht berücksichtigt werden allerdings Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen.[1] Eine Zusammenrechnung der Einkommen von Ehegatten findet nicht statt, und zwar selbst dann nicht, wenn der Ehegatte zum Lebensunterhalt des Schuldners beiträgt.[2] Wie bereits zuvor erwähnt, ist bei einer Vollstreckung nach der AO entgegen dem Wortlaut des § 850e Nr. 2 ZPO kein Antrag für die Zusammenrechnung notwendig. Die Vollstreckungsbehörde ist jedoch zur Zusammenrechnung nur befugt, aber nicht verpflichtet.[3]

[1] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 319 AO Rz. 42.
[2] Herget, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 850e ZPO Rz. 3.
[3] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 319 AO Rz. 65.

2.6.3 Sozialleistungen und Kindergeld (§ 850e Nr. 2a ZPO)

 

Rz. 34

§ 850e Nr. 2a ZPO ermöglicht die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen mit laufenden Sozialleistungen nach dem SGB und mit Kindergeld. Eine Addition mit Sozialleistungen nach anderen gesetzlichen Vorschriften als dem SGB sowie mit Sozialhilfe und Wohngeld ist nicht gestattet. Geldleistungen für Kinder sind nur dann dem Arbeitseinkommen hinzuzurechnen, wenn sie nach § 76 EStG oder § 54 Abs. 5 SGB I gepfändet werden können.[1] In Abweichung zum Wortlaut der Norm ist im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung wiederum kein Antrag beim Vollstreckungsgericht notwendig.[2]

[1] Herget, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 850e ZPO Rz. 15f., 21.
[2] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 319 AO Rz. 66.

2.6.4 Naturalleistungen (§ 850e Nr. 3 ZPO)

 

Rz. 35

Für den Fall, dass der Schuldner neben Geld- auch Naturalleistungen erhält, sind diese Leistungen gem. § 850e Nr. 3 ZPO zusammenzurechnen. Als Naturalleistungen kommen Verpflegung, Unterkunft, Arbeitskleidung u. Ä. infrage. Feste Bewertungsmaßstäbe gibt es für diese Naturalleistungen nicht. Die Bewertung hat im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung die Vollstreckungsbehörde anhand des tatsächlichen Geldwerts am Verbrauchsort vorzunehmen.[1] Die Naturalleistungen selbst unterliegen nicht der Pfändung. Ist jedoch das Gesamteinkommen und der unpfändbare Betrag nach § 850c ZPO unter Addition von Geld- und Naturalleistung berechnet, so ist dieser unpfändbare Betrag zunächst mit dem Wert der Naturalleistungen abzudecken. Erst wenn dieser erschöpfend berücksichtigt worden ist, können auch Geldleistungen Teil des unpfändbaren Betrags sein.[2]

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 319 AO Rz. 67.
[2] Herget, in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 850e ZPO Rz. 26.

2.6.5 Unterhalts- und andere Ansprüche (§ 850e Nr. 4 ZPO)

 

Rz. 36

§ 850e Nr. 4 ZPO regelt, wie zu verfahren ist, wenn Pfändungen von normalen Gläubigern und von nach § 850d ZPO bevorrechtigten Gläubigern zusammentreffen. Zum Verständnis dieser Norm ist zu vergegenwärtigen, dass das Einkommen des Schuldners insoweit in drei Teile zerfällt: den unbedingt unpfändbaren Teil, den Teil, der nach § 850d ZPO nur bevorrechtigten Gläubigern zusteht, und den frei pfändbaren Teil. Pfändet nun ein nicht Bevorrechtigter als E...

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