Rz. 67

Der § 30 Abs. 4 AO zählt Fallgruppen auf, bei denen abweichend von der Grundregel des § 30 Abs. 2 AO das Offenbaren und Verwerten der Kenntnisse zulässig ist. Dabei ist die (ausdrückliche) Zulässigkeit der Verwertung erst seit dem 25.5.2018 Regelungsinhalt des § 30 Abs. 4 AO.[1] Unter "Verwerten" ist dabei ausweislich der Gesetzesbegründung – wie bisher – jede Verwendung in der Absicht, aus der Nutzung der geschützten Daten für sich oder andere Vorteile ziehen zu wollen, zu verstehen.[2] Diese Gesetzesänderung dient dem erhöhten Schutz der geschützten Daten und schränkt die Verwendung der Daten durch Amtsträger oder gleichgestellte Personen im modernen Besteuerungsverfahren ein. Mit dieser Neuregelung wurde zugleich eine Rechtsklärung herbeigeführt und der Streit zur Reichweite der Befugnis des § 30 Abs. 4 AO geklärt. Das Verwerten der Kenntnisse ist durch den Wortlaut des § 30 Abs. 4 AO in den dort genannten Fällen nunmehr ausdrücklich für zulässig erklärt. Damit wurde eine bisher bestehende Gesetzeslücke geschlossen.

Das Gesetz erklärt das Offenbaren und Verwerten in den angeführten Fällen des § 30 Abs. 4 AO nunmehr für zulässig, während es in § 30 Abs. 2 AO das unbefugte Offenbaren und Verwerten schon bisher als eine Verletzung des Steuergeheimnisses bezeichnete. "Unbefugt" in Abs. 2 und "zulässig" in Abs. 4 sind dabei trotz der unterschiedlichen Formulierungen als Gegensatzpaar anzusehen.

§ 30 Abs. 5 AO sieht dagegen, dem Regelungsinhalt geschuldet, allein eine Offenbarungsbefugnis vor. Außerdem enthält § 30 Abs. 6 S. 1 AO eine Befugnisvorschrift für den Abruf von geschützten Daten im automatisierten Verfahren. Der Gesetzgeber wollte mit der Aufzählung eine abschließende, möglichst genaue Bezeichnung aller Befugnisgründe geben, nachdem § 22 RAO die Möglichkeit eines befugten Offenbarens lediglich andeutungsweise nannte und damit die Einzelfallfindung der Auslegung in der Praxis überließ. Im jetzt geltenden Recht ist eine Ausdehnung der nach § 30 Abs. 4 und 5 AO zulässigen Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten auf andere Fälle zumindest ganz überwiegend nicht mehr zulässig. Die Regelung ist also grundsätzlich abschließend.[3] Das strafrechtliche Schrifttum[4] sieht daneben allgemeine verfassungsrechtlich zulässige Rechtfertigungsgründe, die im Normalfall für die Besteuerungspraxis aber – vom Fall des Rechtfertigungsgrunds der mutmaßlichen Einwilligung[5] abgesehen – schwerlich von praktischer Bedeutung sind.[6] Die mutmaßliche Einwilligung wird aber eher eine problematische Ausweitung des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO über den gesetzlichen Öffnungstatbestand der Einwilligung hinaus darstellen (Rz. 106). Ausnahmsweise kann sich ein nicht zu vernachlässigendes Anwendungsfeld von Notwehr und Notstand zum Schutz von Amtsträgern ergeben (Rz. 123).

Allerdings ist die Auslegung nach wie vor bei einer Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen notwendig. Darunter dürften sich auch die vom strafrechtlichen Schrifttum problematisierten Fälle i. d. R. fassen lassen.

Während aber der Schutz der Daten durch das Steuergeheimnis mit Blick auf die Amtsträger der Steuerverwaltung auch auf Beraterseite einiges Vertrauen genießt, so ergeben sich – aus Sicht der steuerberatenden Berufe – Risiken einer unerlaubten Offenbarung geschützter Daten in erster Linie daraus, dass im Falle nach § 30 Abs. 4 AO erlaubter Offenbarungen an Personen außerhalb der Steuerverwaltung diesen Behörden oder Dritten der Umgang mit diesem Schutz nicht vertraut und der Schutz der Daten deshalb weniger sicher erscheint.[7] Auch dieses Risiko und diesen Vertrauensaspekt muss der Gesetzgeber bei der Schaffung von Öffnungsregelungen beachten.

 

Rz. 67a

Auch bei grundsätzlich erlaubter Offenbarung – etwa an den Stpfl. oder seinen steuerlichen Berater – hat der Amtsträger sich Gewissheit über die Berechtigung und damit auch über die Person des Informationsempfängers zu verschaffen.[8] Bestehen etwa in Finanzgerichtsverfahren Zweifel über die Identität der Akteneinsicht begehrenden Person des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten, kann zur Vermeidung einer unbefugten Offenbarung vom Steuergeheimnis geschützter Daten an Dritte auf die Legitimation des um Akteneinsicht Ersuchenden nicht verzichtet werden.[9] Zwar ist der Amtsträger des Gerichts nicht verpflichtet, eigene Ermittlungen zur Person des Beteiligten anzustellen[10], jedoch führt dies nur dazu, dass bei ggf. ausbleibender Legitimation der erschienenen Person die Akteneinsicht zu versagen ist.[11] Neben den prozessualen Voraussetzungen[12] dient dies auch dem Schutz des Steuergeheimnisses.

 

Rz. 67b

Ist die Offenbarung oder Verwertung im Einzelfall erlaubt, ist sie auf die erforderlichen Inhalte der geschützten Daten zu beschränken.[13] Zudem ist die Offenlegung geschützter Daten auch dann nicht zulässig, wenn die fraglichen Informationen mit geringerer Eingriffsintensität auf andere Weise beschafft werden können.[14]

 

Rz. 68

Die Befugnis zum Offenbaren und Verwerten bedeutet nicht gleichzeitig die Ve...

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