Rz. 23

Ist die Weiterverarbeitung im (mutmaßlichen) Interesse der betroffenen Person, kann diese nach der Nr. 3 erfolgen. Da bei Vorliegen einer Zustimmung i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO sich die Zulässigkeit der Weiterverarbeitung bereits nach der Nr. 2 richtet, dürfte es sich hier nur um Fälle handeln, bei denen die Zustimmung zwar nicht ausdrücklich erteilt, aber zu unterstellen ist. Hier ist m. E. die Grundvoraussetzung der Norm, dass die Weiterverarbeitung "offensichtlich" nicht nur im Interesse der betroffenen Person liegen muss, sondern auch keinerlei Grund für die Annahme bestehen darf, dass die Einwilligung der betroffenen Person dessen ungeachtet trotzdem infrage stehen könnte, von erheblicher einschränkender Bedeutung.[1] Das Interesse der betroffenen Person soll dabei auf der Grundlage eines objektiven Bewertungsmaßstabs festzustellen sein.[2] Dieser Objektivitätsansatz ist im Steuerrecht aber nicht unproblematisch. Gerade Fälle der mutmaßlichen Einwilligung sind im Rahmen der Öffnung des Steuergeheimnisses nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO besonders kritisch zu betrachten und zu hinterfragen.[3]

 

Rz. 24

Zudem ist die Weiterverarbeitung für ein steuerliches Verfahren bereits in der Nr. 1 enthalten, sodass hier nur "außersteuerliche" Verfahren erfasst sein können.[4] Die Bedeutung der Regelung für die Besteuerungspraxis ist dementsprechend eher unbedeutend.[5]

 

Rz. 25

Unklar ist, ob der Gesetzgeber hier konkrete Fallkonstellationen vor Augen hatte oder vielmehr alleiniges Motiv für die Aufnahme dieses Falls eine möglichst weitgehende Übernahme der Regelungen aus dem BDSG zur Vermeidung einer Diskussion in Bezug auf diese Abweichung war. In der Tat ist § 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO dem § 23 Abs. 1 Nr. 1 BDSG nachgebildet, wo er im Bereich der allgemeinen Verwaltung insbesondere die Fälle legitimieren soll, in denen wegen der Offensichtlichkeit der Weiterverarbeitung im Interesse der betroffenen Person die vorherige Einholung einer Einwilligung entbehrlich erscheint.[6]

 

Rz. 26

An dieser Weiterverarbeitungsregel aufgrund von Mutmaßlichkeit wird zu Recht kritisiert, dass durch diese der Finanzbehörde ein Bearbeitungsspielraum geschaffen wird, das Interesse der betroffenen Personen – ggf. auch generalisiert – festzulegen und sich damit faktisch selbst die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten zu ermöglichen.[7] Kritisch ist hier insbesondere auch, dass die DSGVO eine Einwilligung datenschutzrechtlich als unwirksam ansieht, wenn zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen ein klares Ungleichgewicht besteht, was insb. dann anzunehmen ist, wenn es sich bei dem Verantwortlichen um eine Behörde handelt.[8] Dies wird im Steuerrecht noch problematischer, weil hier zwischen Staat und Stpfl. ein aufgabenimmanentes Über-/Unterordnungsverhältnis besteht.[9] Für den Bereich der Eingriffsverwaltung, zu denen die Verfahren nach der AO zählen, ist daher aufgabenimmanent das Abstellen auf eine Einwilligung oder gar die hypothetische Annahme des Vorliegens einer solchen unzulässig, da das Ergebnis der Datenverarbeitung unabhängig davon Bestand haben muss, ob die betroffene Person an ihrer Einwilligung festhält. Allenfalls im Bereich des nicht gesetzlich gebundenen Handelns der Finanzbehörden (z. B. antragsgebundenes Handeln) käme dies in Betracht.

 

Rz. 27

Im Anwendungsbereich der AO sind die Anwendungsbereiche außerordentlich begrenzt. Teilweise wird sogar bezweifelt, ob es einen solchen überhaupt gibt.[10] In Betracht kommt allerdings etwa die Weitergabe von Erhebungsdaten von nach Eintritt eines Zuständigkeitswechsels[11] noch im vormals zuständigen FA eingegangenen Zahlungen. Das neu zuständige FA baut die übernommenen Steuerkonten mit den Daten auf, wie es sie vom vormals zuständigen FA übermittelt erhalten hat. Solange offene Forderungen nach Fälligkeit nicht entrichtet sind, entstehen Säumniszuschläge, bis die Forderung beim neu zuständigen FA durch den Steuerschuldner selbst oder durch Überweisung vom vormals zuständigen FA getilgt wurde. Übermittelt das vormals zuständige FA im Falle einer noch bei ihm eingegangenen Zahlung das Tilgungsdatum an das aktuell zuständige FA, kann die Entstehung von Säumniszuschlägen zwischen Tilgung und Überweisung verhindert werden, wenn das neu zuständige FA das Tilgungsdatum vom vormals zuständigen FA übernimmt.

Ein vergleichbarer Anwendungsfall kann vorliegen, wenn zwei Länder ein Verfahren zur Klärung der Steuerberechtigung nach § 1 Abs. 2 ZerlG führen, bei dem Daten aus dem Steuerverfahren (z. B. Datum der Verlegung des Wohnsitzes) verwendet werden müssen. Liegt zwischen Tilgung und Auszahlung der getilgten Forderung aufgrund Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO ein Zuständigkeitswechsel vor, kann der zur Klärung der Haushaltsfragen erforderliche Datenabgleich ebenfalls nach Maßgabe des § 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO vorgenommen werden.

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 29c AO Rz. 20 m. w. N.
[2] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 29c AO Rz. 19 m. w. N.; Koenig/Pätz, AO, 5. Aufl. 2024, § 29...

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