Rz. 8

Nach § 287 Abs. 4 S. 3 AO ist für die richterliche Anordnung einer Durchsuchung das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Durchsuchung vorgenommen werden soll. Mit dieser Zuständigkeitsregelung hat der Gesetzgeber den Streit, ob für diese Anordnung die Finanz- oder die Amtsgerichte zuständig sind, in der Weise entschieden, dass allein die ordentlichen Gerichte die Anordnung zu erlassen haben.[1] Zwar ist grundsätzlich nach Art. 103 Abs. 1 GG ein Recht auf vorherige Anhörung einer durch eine staatliche Maßnahme betroffenen Person gegeben, doch findet dieser Grundsatz hier keine Anwendung, um die Durchführung des Vollstreckungsverfahrens nicht zu gefährden oder zu erschweren. Deswegen kann die richterliche Anordnung ohne vorherige Anhörung ergehen.[2] Der Antrag auf die richterliche Anordnung ist dabei von der Vollstreckungsbehörde zu stellen, die die Vollstreckungsmaßnahme durchführt. Für die richterliche Anordnung der Wohnungsdurchsuchung im Rahmen einer verbrauchsteuerlichen Verdachtsnachschau nach § 210 sollen hingegen die Finanzgerichte zuständig sein.[3]

[1] S. zur Historie Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 22f.

2.4.1 Voraussetzungen

 

Rz. 9

Bei Erlass der Durchsuchungsanordnung hat der Richter zu prüfen, ob die formellen Voraussetzungen für eine Vollstreckung vorliegen, also insbesondere die §§ 251, 254 und 257 AO erfüllt sind.[1] Diese Voraussetzungen hat die Finanzverwaltung schlüssig darzulegen.[2] Bei einer Durchsuchung zur Nachzeit oder an einem Sonn- oder Feiertag ist zudem § 289 AO zu beachten.[3] Darüber hinaus hat der Richter weitere materielle Prüfungen anzustellen, die sich insbesondere auf die Frage erstrecken, ob die Durchsuchung verhältnismäßig ist. Hierbei sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:

  • Die Durchsuchung an sich darf nicht unverhältnismäßig sein. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann sich insbesondere dann ergeben, wenn wegen eines kleinen Betrags, einer sog. Bagatellforderung, vollstreckt werden soll.[4] Als Grenze wird man dabei einen Betrag von 1.000 EUR ansehen können, eine Durchsuchung wegen eines geringeren Betrags dürfte im Regelfall unverhältnismäßig sein.
  • Die Durchsuchung darf keine unverhältnismäßige Härte für den Vollstreckungsschuldner darstellen.[5] Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mit der Durchsuchung eine schwere gesundheitliche Gefährdung einer Person verbunden ist, die sich in der Wohnung befindet[6] oder gar durch die Vollstreckungshandlungen Selbstmordgefahr besteht.[7]
  • I. d. R. muss vor dem Erlass einer Durchsuchungsanordnung versucht worden sein, die Zustimmung des Vollstreckungsschuldners zu einer Durchsuchung zu erhalten. Dies gilt indes nicht, wenn diese Anfrage nach den Umständen des Einzelfalls von vornherein aussichtslos ist oder den Vollstreckungserfolg gefährden würde. Da dies oftmals der Fall ist, verkehrt sich der Grundsatz zur Ausnahme.
 

Rz. 10

Nicht zu beachten hat der Richter hingegen folgende Gesichtspunkte:

  • Der Richter kann nicht verlangen, dass vor dem Erlass einer Durchsuchungsanordnung alle anderen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind.[8] Die Unverhältnismäßigkeit muss sich vielmehr gerade im konkreten Einzelfall ergeben.
  • Keine besondere Härte stellt der Umstand dar, dass die Höhe der Steuerschuld noch umstritten ist. Solange keine Aussetzung der Vollziehung gewährt worden ist, besteht eine Zahlungsverpflichtung des Vollstreckungsschuldners und es kann eine Vollstreckung erfolgen.[9] Dies ist ein Grundsatz des Vollstreckungsrechts nach der AO.
 

Rz. 11

Der Inhalt der richterlichen Durchsuchungsanordnung ist gesetzlich nicht fixiert.[10] Erforderlich sind in jedem Fall die Nennung von Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger sowie der zu vollstreckenden Forderung und der Räume, in denen die Vollstreckungshandlung durchgeführt werden soll. Als ausreichend wird hierbei grundsätzlich die Adresse des Schuldners angesehen. Es kann aber auch eine Beschränkung nur auf bestimmte Räume innerhalb einer Wohnung erfolgen. Zudem sieht der BFH eine zeitliche Befristung der Durchsuchungsanordnung als erforderlich an, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden.[11]

 

Rz. 12

Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist nach der Bestimmung des § 287 Abs. 6 AO bei der Vollstreckung vorzuzeigen. Dies hat unaufgefordert zu geschehen.[12] Sie ist also dem Vollstreckungsschuldner oder einem anderen von der Vollstreckung betroffenen Dritten bekannt zu machen.[13] Eine Übergabe der Durchsuchungsanordnung ist im Gesetz nicht vorgesehen.[14]

[1] BFH v. 12.5.1980, VII B 9/80, BStBl II 1980, 399; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 287 AO Rz. 25 m. w. N.
[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 18; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 287 AO Rz. 10.
[5] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 17.

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