Rz. 3

§ 287 AO gibt die Rechtsgrundlage für das Durchsuchen von Wohn- und Geschäftsräumen. Normiert werden in § 287 AO aber gleichzeitig auch die Voraussetzungen, die für diese Durchsuchungen erfüllt sein müssen. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass das reine Betreten von dem Durchsuchen zu unterscheiden ist.[1] Ferner unterliegen Wohnräume einerseits und Geschäftsräume andererseits einem unterschiedlichen Schutz. Das reine Betreten von Wohnräumen ist ebenso geschützt wie das Durchsuchen, das Betreten von Geschäftsräumen unterliegt jedoch geringeren Anforderungen als das Durchsuchen. Zwar ist heute allgemein anerkannt, dass auch Geschäftsräume aufgrund des weiten Wohnungsbegriffs unter den Art. 13 GG fallen, doch ist der Schutz unterschiedlich ausgestaltet, da diesen eine größere Offenheit nach außen aufweisen sollen als Wohnungen.[2]

 

Rz. 4

Unter Betreten ist das körperliche Eindringen in die Wohn- oder Geschäftsräume zu verstehen, wobei es auf die Absicht des Betretenden nicht ankommt. Durchsuchen ist hingegen das Betreten der Räume, um auf diese Weise ziel- und zweckgerichtet Gegenstände aufzuspüren, die der Inhaber der Räume von sich aus nicht offen legt oder herausgibt.[3] Durchsuchen setzt also ein aktives Tun des Durchsuchenden voraus, um etwas zu finden, was nicht offen zutage liegt. Demgegenüber liegt keine Durchsuchung vor, wenn lediglich Gegenstände in Augenschein genommen oder vom Inhaber der Räume freiwillig herausgegeben werden. Dann handelt es sich um ein reines Betreten, nicht um ein Durchsuchen. Zu einem Durchsuchen kommt es erst dann, wenn der Vollziehungsbeamte an Stellen nachsieht, die nicht ohne Weiteres zugänglich sind.[4] Das Durchsuchen stellt damit einen stärkeren Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre des Vollstreckungsschuldners dar als das Betreten.

[1] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 38.
[2] Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 287 Rz. 8.
[3] BVerfG v. 3.4.1979, 1 BvR 994/76, BStBl II 1979, 601; ausführlich zur Rechtsprechung des BVerfG: Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 11ff.

2.1 Wohnräume

 

Rz. 5

Wohnräume unterliegen dem besonderen Schutz des Art. 13 GG. Der Begriff der Wohnung umfasst hierbei sämtliche zu Aufenthaltszwecken geeigneten und bestimmten Räumlichkeiten.[1] Hierzu zählen neben den eigentlichen Aufenthalts- und Arbeitsräumen die den Bewohnern dienenden Nebenräume (Flur, Keller, Dachboden usw.) sowie die weiteren umfriedeten Besitztümer wie insbesondere der Garten und eine Terrasse.[2] Der Begriff der Wohnung ist damit weit anzulegen. Insbesondere fällt unter diesen Begriff auch eine privat genutzte Garage, die in unmittelbarer Nähe zur eigentlichen Wohnung liegt.[3] Er kann auch Zweitwohnungen, Hotelzimmer oder Kabinen auf Schiffen erfassen, da diese dem Bewohner ebenfalls als Wohnräume dienen. Wohnräume unterliegen in vollem Umfang dem Schutz des Art. 13 GG. Sowohl das Durchsuchen als auch bereits das reine Betreten zum Zweck der Vollstreckung greifen in den Schutzbereich des Art. 13 GG ein und sind deshalb nur mit einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zulässig.

[1] Papier, in Maunz/Dürig, GG , Art. 13 GG, Rz. 10ff.; vgl. auch BFH v. 8.11.2005, VII B 249/05, BFH/NV 2006, 151.
[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 44; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 287 AO Rz. 9.

2.2 Geschäftsräume

 

Rz. 6

Geschäftsräume fallen ebenfalls grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 13 GG. Nach der Rspr. des BVerfG ist dieser Schutz aber geringer ausgestaltet, da diese Räume nach außen offen und zur Aufnahme sozialer Kontakte bestimmt sind.[1] Daher ist das reine Betreten aufgrund des § 287 AO während der üblichen Büro- und Geschäftszeiten auch ohne eine richterliche Anordnung zulässig.[2] Hingegen ist es heute wohl als unstreitig anzusehen, dass Durchsuchungen von Geschäftsräumen ebenfalls grundsätzlich eine richterliche Durchsuchungsanordnung erfordern. Zudem wird man außerhalb der üblichen Büro- oder Geschäftszeiten Geschäftsräumen ebenfalls den vollen Schutz des Art. 13 GG zuzubilligen haben, sodass dann auch bereits für das Betreten eine richterliche Durchsuchungsanordnung erforderlich ist. Probleme können sich ergeben, wenn aufgrund der Umstände im Einzelfall nicht klar ist, ob Privaträume oder Geschäftsräume vorliegen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn etwa ein Arbeitszimmer in einem Privathaus gegeben ist oder wenn eine freiberufliche Praxis in einem Privathaus betrieben wird. Aufgrund der überragenden Bedeutung des Grundrechtes in Art. 13 GG wird man in solchen Fällen im Zweifel von Wohnräumen auszugehen haben.[3] Als Geschäftsräume sind insbesondere anzusehen Verkaufsräume, Büroräume, Praxisräume, Ausstellungsräume, Werkstätten sowie Fabrikations- und Lagerhallen.[4]

[2] BFH v. 4.10.1988, VII R 59/86, BStBl II 1989, 55; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 287 AO Rz. 45.
[3] So wohl auch Müller-Eiselt,...

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