Rz. 33

Die Finanzbehörde hat zunächst von Amts wegen festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Abnahme der Vermögensauskunft vorliegen.[1] Wenn dann die Voraussetzungen für die Abnahme der Vermögensauskunft vorliegen, liegt eine Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit gem. § 284 Abs. 3 S. 1 AO nicht mehr im Ermessen der Finanzbehörde. Die Versicherung an Eides statt hat stets zu erfolgen.[2] Die entsprechende Rechtsprechung zur Ermessensausübung ist deshalb nunmehr nicht mehr einschlägig.[3]

 

Rz. 34

An die Ermessensausübung waren und sind jetzt auch teilweise noch wegen der u. U. erheblichen nachteiligen Folgen, die die Eintragung im Schuldnerverzeichnis für den Vollstreckungsschuldner haben kann, besonders strenge Anforderungen zu stellen. Wie für jede Verwaltungsmaßnahme muss die Finanzbehörde darüber hinaus für die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des angewandten Mittels beachten.[4] Das eingesetzte Mittel muss geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist erforderlich, wenn nicht ein anderes, gleich wirksames, aber weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte gewählt werden können.[5] Die Ermessensgrenzen bestimmen sich auch im Rahmen des § 284 AO nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls.[6] Grundsätzlich darf die Finanzbehörde jedoch nach erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen das Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft ermessensfehlerfrei betreiben.[7]

 

Rz. 35

Dieser Grundsatz hat aber nicht zur Folge, dass die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft nur verlangt werden kann, wenn der Vollstreckungsschuldner nicht freiwillig Auskunft erteilt und die Versicherung an Eides statt nach § 95 AO (s. Rz. 1) abgibt. Die Vermögensauskunft nach § 284 AO kann auch dann verlangt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 249 Abs. 2, 95 AO ohne die Folge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis freiwillig anbietet.[8]

 

Rz. 36

Die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft wird auch nicht dadurch unverhältnismäßig, dass der Vollstreckungsschuldner über § 1 S. 2 InsO im Insolvenzverfahren eine Entschuldung erreichen könnte, denn erst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens berührt die Einzelvollstreckung.[9] Die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft wird auch nicht dadurch ermessensfehlerhaft, dass gegen den Vollstreckungsschuldner ein Steuerstrafverfahren anhängig ist.[10] Die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft ist kein nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO verbotenes Zwangsmittel im Besteuerungsverfahren.[11] Das Verhalten des Vollstreckungsschuldners in einem anhängigen Steuerstrafverfahren ist für die Rechtmäßigkeit der Aufforderung ohne Bedeutung.[12]

 

Rz. 37

Die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft wird auch nicht dadurch ermessensfehlerhaft, dass gegen den Vollstreckungsschuldner im Einzelfall bereits ein Gewerbeuntersagungsverfahren anhängig ist[13], da beide Verfahren vollkommen verschiedene Zielrichtungen haben.

 

Rz. 38

Um eine zuverlässige und sichere Kenntnis bestehender Vollstreckungsmöglichkeiten zu erhalten, braucht sich die Finanzbehörde auch nicht auf sonstige Erklärungen und Darlegungen des Vollstreckungsschuldners, die dieser in seinen eigenen vorgängigen Steuer- bzw. Erlassverfahren der Finanzbehörde gegenüber gemacht hat, verweisen zu lassen.[14] Solche Erklärungen und Darlegungen schränken die Ermessensausübung der Finanzbehörde regelmäßig nicht ein.[15] Die Vermögensauskunft nach § 284 AO ist im Hinblick auf die besondere Folgewirkung das effektivere Mittel zur wahrheitsgemäßen Sachverhaltsermittlung, sodass der stärker belastende Eingriff sachgerecht und verhältnismäßig ist.[16]

 

Rz. 39

Die möglichen wirtschaftlichen Nachteile oder auch berufsrechtlichen Folgen der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis schränken das Ermessen der Finanzbehörde nicht grundsätzlich ein.[17] Sie sind aber im Rahmen der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dass jedes Verwaltungshandeln verhältnismäßig zu sein hat, zu berücksichtigen.

 

Rz. 40

Bei Weigerung des Vollstreckungsschuldners, der Finanzbehörde Auskunft über seine Forderungen und seine Kunden zu geben, ist die Anordnung der Vermögensauskunft regelmäßig ermessensfehlerfrei.[18]

 

Rz. 41

Die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft wird regelmäßig nicht allein dadurch ermessensfehlerhaft, dass der vollstreckbare Anspruch noch nicht bestandskräftig ist.[19] Ein Ermessensfehler könnte allenfalls dann vorliegen, wenn besondere, über die für die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO hinausgehende Einwendungen erhoben werden.[20]

Ohne Auswirkungen auf die Ermessensausübung ist es auch, dass der zu vollstreckende Anspruch auf einem Schätzungsbescheid beruht, wenn der Vollstreckungsschuldner die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärungen ni...

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