Rz. 61

Nach § 226 AO gelten für die Aufrechnung im steuerlichen Verfahrensrecht grundsätzlich die §§ 387ff. BGB.[1] Darüber hinaus normiert § 226 Abs. 2 bis 4 AO weitere Voraussetzungen für die Aufrechnung in steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren.[2] Diese allgemeinen Voraussetzungen an die Aufrechnung müssen in der Insolvenz gleichfalls erfüllt sein. Für die Aufrechnung im Insolvenzverfahren sind aber darüber hinaus die §§ 94ff. InsO zu beachten.[3] Von zentraler Bedeutung ist dabei vor allem § 96 InsO, der verschiedene Aufrechnungsverbote in der Insolvenz regelt.[4] Nach Ende des Insolvenzverfahrens entfallen diese Aufrechnungsverbote wieder.[5] Ein allgemeines Aufrechnungsverbot für Insolvenzgläubiger während der Wohlverhaltensphase im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens gibt es nicht.[6]

 

Rz. 62

Die Insolvenzeröffnung berührt dabei eine bereits zu diesem Zeitpunkt bestehende Aufrechnungslage nicht. Dies stellt § 94 InsO ausdrücklich klar.[7] Maßgebend für die Frage der Aufrechnungsmöglichkeit ist damit, ob die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat oder nicht. Dies gilt zumindest für die Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger, während die Aufrechnung durch den Insolvenzverwalter keinen Beschränkungen unterliegt.

 

Rz. 63

Tritt die Aufrechnungslage hingegen erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, schließt § 95 InsO die Aufrechnung zwar nicht grundsätzlich aus, es gelten dann aber einige Besonderheiten, die die Möglichkeit einer Aufrechnung erheblich einschränken.[8] So kann nach § 95 Abs. 1 S. 1 InsO der Gläubiger einer noch nicht fälligen oder aufschiebend bedingten Forderung die Aufrechnung erst in dem Augenblick erklären, in dem die Fälligkeit eintritt. Dabei wird § 41 InsO, der die Fälligkeit von Forderungen im Insolvenzverfahren regelt, ausdrücklich ausgeschlossen. Für die Finanzbehörde als Gläubiger hat dies regelmäßig die Folge, dass sie mit ihren Forderungen gegen den Schuldner nicht aufrechnen kann, da ihre Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht entstanden sind.

 

Rz. 63a

Nach § 95 Abs. 1 S. 3 InsO ist die Aufrechnung zudem ausgeschlossen, wenn die Forderung des Schuldners, gegen die aufgerechnet werden soll, fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann.[9] Diese Bestimmung hindert nicht die Aufrechnung des FA mit Steuerforderungen aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen einen durch Abgabe einer berichtigten Anmeldung nach Verfahrenseröffnung entstandenen Steuererstattungsanspruch.[10] Auch eine Verrechnung mit der Sondervorauszahlung zur USt ist zulässig.[11] Nicht aufgerechnet werden darf hingegen mit Erstattungszinsen, da diese erst nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind[12], und mit der Vorsteuer aus Rechnungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters.[13] Umfassend zu den Wirkungen der Aufrechnung vgl. BFH v. 16.1.2007, VII R 7/06, BFH/NV 2007, 808. Der BFH hat eine Aufrechnung mit dem Körperschaftsteuerguthaben nach § 37 Abs. 1 S. 1 KStG für unzulässig erklärt.[14]

 

Rz. 64

Weiterhin erklärt § 96 InsO die Aufrechnung in einigen wichtigen Fällen für unzulässig.[15] Dabei kommt die Regelung des § 96 Abs. Nr. 2 InsO für Steuerforderungen regelmäßig nicht zum Tragen, jedoch die Bestimmungen in § 96 Abs. Nr. 1, Nr. 3 und 4 InsO.[16] So ist eine Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen, wenn der Gläubiger erst nach der Eröffnung des Verfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig wird. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass eine Insolvenzforderung in voller Höhe befriedigt wird. Dies gilt etwa in den Fällen, in denen ein Anspruch auf Erstattung von ESt auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeführter LSt beruht.[17] Nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist die Aufrechnung untersagt, wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet. In diesem Fall fehlt es an der Gegenseitigkeit der Forderungen.

 

Rz. 64a

Im Anschluss an ein Urteil des BGH[18] hat der BFH seine Rechtsprechung zur Aufrechnungsbefugnis der Finanzbehörden teilweise geändert.[19] Erbringt ein vorläufiger Insolvenzverwalter vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Leistungen gegenüber dem Schuldner, so beruhen die durch diese Tätigkeit entstandenen Umsatzsteueransprüche und Vorsteueransprüche auf nach § 131 Abs. 1 InsO anfechtbaren Rechtshandlungen, sodass eine Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ausscheidet.[20] Zu beachten ist allerdings hierbei, dass durch die Neufassung des § 55 Abs. 4 InsO ab 1.1.2011 solche Verbindlichkeiten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten.[21]

 

Rz. 64b

Nach zwei Urteilen des BFH v. 25.7.2012[22] ist keine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen möglich, wenn aufgrund eines erst während des Insolvenzverfahrens eingetretenen Tatbestands USt zu berichtigen ist. Dies hat der BFH damit begründet, dass für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO...

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