1 Grundlagen

1.1 Rechtsentwicklung; zeitliche Geltung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde mit dem StRefG 1990[1] eingeführt, um die seit langem geforderte Vollverzinsung (dazu nachfolgend Rz. 7ff., 85ff.) möglichst weitgehend zu verwirklichen. Die Höhe des der kraft Gesetz entstehenden Zinsen wird bestimmt durch den zu verzinsenden Unterschiedsbetrag, den Zinslauf und den anzuwenden Zinssatz. Für das Verhältnis zu den besonderen Zinsen, Rechtscharakter und die steuerliche Behandlung der Zinsen s. § 233 AO. Zur Höhe, Berechnung und Festsetzung der Zinsen vgl. §§ 238 u. 239 AO.

 

Rz. 2

§ 233a AO wurde innerhalb kurzer Zeit mehrfach an wichtigen Stellen geändert. Durch das Wohnungsbauförderungsgesetz v. 22.12.1989[2] wurde die Sonderregelung für die Zinslauf[3] auch auf die KSt erstreckt. Durch das StMGB v. 21.12.1993[4] wurden § 233a Abs. 2 S. 3 AO und § 233a Abs. 5 S. 1 AO geändert. Durch das Grenzpendlergesetz v. 24.6.1994[5] wurde § 233a Abs. 2 S. 3 AO erneut geändert. Zu weitreichenden Änderungen kam es durch das Jahressteuergesetz 1997 v. 20.12. 1996[6] durch Änderungen des § 233a Abs. 1 S. 1, Abs. 2a, Abs. 3 S. 1 und Abs. 7 AO. Die Höchstdauer des Zinslaufs von 4 Jahren hat der Gesetzgeber durch das StBereinG v. 27.12.1999[7] abgeschafft und zugleich Abs. 7 S. 7 geändert. Durch das Steuervereinfachungsgesetz v. 1.11.2011[8] hat der Gesetzgeber in § 233a Abs. 2 AO den Beginn der Karenzfrist auf 23 Monate (statt bisher 21 Monate) festgesetzt.[9]

[1] Steuerreformgesetz v. 25.7.1990, BGBl I 1988, 1093.
[2] BGBl I 1989, 2408.
[4] BGBl I 1993, 2310.
[5] BGBl I 1994, 1395.
[6] BGBl I 1996, 2049.
[7] BGBl I 1999, 2061.
[8] BGBl I 2011, 2131.
[9] Zur erstmaligen Anwendung vgl. Art. 97 § 15 Abs. 11 EGAO.

1.2 Verfassungskonformität des § 233a AO

 

Rz. 3

Nach langer Debatte über die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes von früher 0,5 % im Monat[1] hat das BVerfG mit Urteil v. 8.7.2021[2] für die ESt, KSt, USt, GewSt und die frühere VSt die schon lange erwartete Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von monatlich 0,5 (6 % jährlich) gem. § 233a AO i. V. m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO gefällt. Die Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen ist ab dem Jahr 2014 wegen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, aber bis 31.12.2018 weiterhin anwendbar.[3]

 

Rz. 4

Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 sind § 233a AO i. V. m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unanwendbar. Insoweit hat der Gesetzgeber die bis zum 31.7.2022 zu treffende Neuregelung durch das "Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung" v. 12.7.2022[4]

Der Gesetzgeber hat mit der Herabsetzung des Zinssatzes auf 0,15 % p.m. = 1,8 % nach § 238 Abs. 1a AO[5] zugleich § 233a AO überarbeitet.

Nach § 233a Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 AO[6] sind nunmehr Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG bei der Bestimmung der Karenzzeit nicht mehr zu berücksichtigen. Die langjährige Verwaltungspraxis der Zuordnung der zu verzinsenden Steuerzahlungen nach dem "last in–first out"-Prinzip ist nunmehr in § 233a Abs. 3 S. 4 AO (s. Rz. 99) gesetzlich geregelt; gleiches gilt für die Berechnung von Erstattungszinsen in Änderungsfällen nach dem geänderten § 233a Abs. 5 S. 4 AO (s. Rz. 109). Anlass hierfür war eine von dieser Verwaltungspraxis abweichende BFH-Entscheidung.[7] Mit dem neu angefügten § 233a Abs. 8 AO[8] ist ebenfalls eine bislang nur im AEAO geregelte Billigkeitsregelung für den Erlass von Nachzahlungszinsen bei freiwilligen Zahlungen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden.

[1] Vgl. etwa BFH v. 3.9.2018, VIII B 15/18, BFH/NV 2018, 1279; BFH v. 4.7.2019, VIII B 128/18, BFH/NV 2019, 1060 und zahlreichen Stimmen in der Literatur, vgl. nur Seer, DB 2022, 1795.
[2] 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, DStR 2021, 1934, Haufe-Index HI14693460.
[3] 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, DStR 2021, 1934 Rz. 249ff., Haufe-Index HI14693460; so auch BFH v. 27.7.2022, X R 5/20, BFH/NV 2023, 1.
[4] 2. AOÄndG, BGBl I 2022, 1142.

1.3 Zeitlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 5

Der zeitliche Geltungsbereich der jeweiligen Änderungen ergibt zunächst aus Art. 97 § 15 EGAO. § 233a AO gilt für alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach dem 31.12.1988, auch soweit § 233a AO durch das JStG 1997 neu gefasst wurde.[1] Aufgrund Art. 97 § 15 Abs. 4 EGAO konnte es wegen der Karenzregelung des § 233a Abs. 2 AO frühestens ab 1.4.1991 zu einer Verzinsung kommen. Die Anwendung des Art. 97 § 1 Abs. 6 EGAO auf alle bei Inkrafttreten des § 233a AO i. d. F. am 28.12.1996 anhängigen Verfahren verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot.[2] § 233a Abs. 2 S. 3 AO i. d. F. des GrenzpendlerG gilt für alle Zinsfestsetzungen nach dem 31.3.1993. Die durch das JStG eingefügten Abs. 2a und Abs. 7 gelten in allen Fällen, in denen der Verlust oder das rückwirkende Ereignis nach dem 31.12.1993 eingetreten ist[3]; diese Vorschrift...

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