Rz. 65

Nach § 233 Abs. 2a AO beginnt der Zinslauf, wenn die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses[1] oder auf einem rückwirkendem Ereignis nach § 10d Abs. 1 EStG beruht, 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist. Die Regelung steht im Zusammenhang mit § 233a Abs. 7 AO der die Einzelheiten der Zinsberechnung regelt (dazu Rz. 75ff.).

 

Rz. 66

Der Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO beginnt grundsätzlich mit dem Ablauf dieser besonderen Karenzzeit. In Fällen der Verzinsung von Steuererstattungen beginnt er jedoch in beiden Fallgruppen frühestens mit dem Tag der Zahlung. Das bedeutet, dass bei Änderungen einer Steuerfestsetzung zugunsten des Stpfl. der Zinslauf hinsichtlich der Abschlusszahlung nach der vorherigen Steuerfestsetzung erst im Augenblick ihrer Leistung beginnen kann.

Mit dieser Regelung wird erreicht, dass rückwirkende Ereignisse und Verlustrückträge bei der Verzinsung nach § 233a AO erst dann berücksichtigt werden, wenn entsprechende Liquiditätsvor- oder -nachteile vorliegen.[2] Die Regelung ist erstmals auf Verluste und rückwirkende Ereignisse nach dem 31.12.1995 anzuwenden.[3] Der BFH hat eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung für im Jahr 1996 entstandene Verluste verneint.[4]

 

Rz. 67

Bei der Erfassung der Änderungstatbestände nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO und § 10d Abs. 1 EStG sind mehrere Teil-Unterschiedsbeträge zu bilden und Schattenveranlagungen durchzuführen, sodass im Ergebnis eine Ist-Besteuerung durchzuführen ist.[5] Der Begriff des Teil-Unterschiedsbetrags ergibt sich aus der Begrenzung des abweichenden Zinsablaufs i. S. d. § 233a Abs. 2a AO auf den Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 AO. Der Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 AO ist gem. Abs. 7 aufzuteilen, soweit diese einen unterschiedlichen Teil-Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 2 und Abs. 2a AO haben. Innerhalb dieser Teil-Unterschiedsbeträge sind Sollminderungen und Sollerhöhungen mit gleichem Zinslaufbeginn zu saldieren.[6]

 

Rz. 68

Ob die "Berücksichtigung eines nachträglichen Ereignisses" i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 AO oder ein Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 EStG vorliegt, beurteilt sich ausschließlich nach dem jeweiligen materiellen Recht; auf die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen kommt es nicht an.[7] Entscheidend für die steuerliche rückwirkende Bedeutung ist, dass die Änderung des ursprünglich gegebenen Sachverhalts den Steuertatbestand betrifft und ob darüber hinaus der bereits entstandene[8] materielle Steueranspruch mit steuerlicher Rückwirkung noch geändert werden kann.[9] Unerheblich ist, ob die Steuerfestsetzung gem. §§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 164 oder 165 AO geändert werden muss oder ob die Änderung unmittelbar im Rahmen der Erstveranlagung berücksichtigt werden kann.[10] Daran fehlt es, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO tatsächlich nicht erfüllt sind[11] oder die Voraussetzungen der abweichende Steuerfestsetzung nur zufällig mit dem rückwirkenden Ereignis gleich laufen.[12]

In den Bauträgerfällen[13] hat der BFH[14] entschieden, dass ein Bauträger das Entfallen der rechtswidrigen Besteuerung geltend machen kann, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit einer Aufrechnung durch das FA besteht. Das BMF hat daraufhin Art. 15a des BMF-Schreibens v. 26.7.2017 aufgehoben.[15] Im Gefolge haben FG die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 2a AO und verneint und § 233a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 233a Abs. 3 AO angewendet.[16] Die dagegen eingelegten Revisionen wurden jeweils zurückgenommen; eine endgültige Klärung durch den BFH steht noch aus.[17]

 

Rz. 69

Die Entscheidung darüber, ob die Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids auf einem rückwirkenden Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO und des § 233a Abs. 2a AO beruht und welche Folgerungen i. S. d. § 239 Abs. 3 Nr. 1 AO zu ziehen sind, ist im Verfahren der einheitlich und gesonderten Feststellung[18] zu treffen.[19]

Im Falle des § 10d EStG entsteht der Erstattungsanspruch nicht schon mit Abschluss des Jahres des Verlustabzugs, sondern erst Ablauf der Veranlagungszeitraums, indem der Verlust entstanden ist.[20]

 

Rz. 70

Nach § 233a Abs. 2a AO beginnt der Zinslauf für die Fälle des Verlustabzugs nach § 10d Abs. 1 EStG und der Berücksichtigung rückwirkender Ereignisse nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO nicht bereits mit dem Ablauf des Kalenderjahres der Steuerentstehung. Vielmehr liegt der Anfang des Zinslaufs abweichend von Abs. 2 S. 1 u. 2 stets 15 Monate nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verlust entstanden bzw. das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Die Karenzzeit beträgt immer 15 Monate, auch bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. § 233a Abs. 2a AO weicht nämlich auch von S. 2 des Abs. 2 ab. Diese Regelung gilt erst für Verluste, die nach dem 31.12.1995 ent...

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