1 Grundsatz nur vorgeschriebener Verzinsung

 

Rz. 1

Die AO sieht keine allgemeine Verzinsung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis[1] vor, sondern nur eine Verzinsung in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen. Dies betrifft die in §§ 233a bis 237 AO beschriebenen Tatbestände und ferner die im Recht der Europäischen Union vorgeschrieben Zinstatbestände.[2] Steuerliche Nebenleistungen[3] und die entsprechenden Erstattungsansprüche werden gem. § 233 S. 2 AO nicht verzinst (dazu Rz. 23). Damit ist die Erhebung von Zinseszinsen ausgeschlossen.

 

Rz. 1a

Die Regelung des § 233 S. 1 AO wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12.7.2022[4] dahin geändert, dass das Wort "gesetzlich" durch die Wörter "durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union" ersetzt wurde. Durch diese Neuregelung wird klargestellt, das (beispielsweise bei einem unionsrechtswidrigen Gesetz) auch unionsrechtlich eine Pflicht zur Verzinsung von Steuererstattungen besteht.[5] Die Regelung ist auf alle nach dem 21.7.2021 festgesetzten Zinsen anzuwenden.[6]

1.1 Verzinsung nach der AO

 

Rz. 2

In der AO ist vorgesehen eine Verzinsung[1] in der Form der

  • Zinsen bei Steuernachforderungen und Steuererstattungen – sog. Vollverzinsung[2]
  • Stundungszinsen[3]
  • Hinterziehungszinsen[4]
  • Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge[5]
  • Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung.[6]
 

Rz. 3

Die §§ 233239 AO gelten grds. für alle Steuern, Steuervergütungen und andere Leistungen, auf die die AO auch insoweit anwendbar ist. § 233a AO allerdings betrifft nur die laufenden Veranlagungssteuern, also ESt, KSt, USt, GewSt und die frühere VSt. Die anderen Zinsvorschriften betreffen zunächst also die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, auf die die AO unmittelbar anzuwenden ist.[7] Hierzu zählen ebenfalls die Realsteuern, und zwar auch insoweit, als sie von den Gemeinden verwaltet werden.[8] Auch für das Kindergeld sind die Zinsvorschriften[9] anwendbar.[10] Die Zinsvorschriften finden schließlich auch auf die Rückforderung von Subventionszahlungen Anwendung, für die die AO-Vorschriften entsprechend gelten.[11]

[1] Vgl. auch überblicksweise Loose, Funktion der steuerlichen Nebenleistung für den Steuervollzug, DStJG 31 (2008), 203 ff.
[7] Vgl. § 1 AO.
[9] Außer § 233a AO.
[11] Vgl. z. B. § 203 LAG, § 8 Abs. 13 WoPG, § 14 Abs. 2 S. 1 5. VermBG.

2 Begriff und Rechtsnatur der Verzinsung

2.1 Verzinsung nach der AO

 

Rz. 4

Die AO enthält keine Legaldefinition für den Begriff Zinsen. Ebenso wie im Zivilrecht[1] handelt es sich um die laufzeitabhängige Gegenleistung für die mögliche Nutzung eines auf Zeit überlassenen oder vorenthaltenen Geldkapitals.[2] Auch nach dem Zinsbegriff des Unionsrechts gleichen Zinsen wirtschaftlich den Nachteil einer vorenthaltenen Nutzung des Kapitals aus und wahren damit das Äquivalenzprinzip und den Grundsatz der steuerlichen Neutralität.[3]

 

Rz. 5

Die Zinsen sind steuerliche Nebenleistungen i. S. d. § 3 Abs. 4 AO auf die die Vorschriften der AO nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 AO anzuwenden sind.[4] Dabei sind nach § 239 Abs. 1 S. 1 AO die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Für die Verzinsung ist eine zugrunde liegende Hauptschuld erforderlich; die Zinsen sind zur Hauptleistung grds. akzessorisch. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Begriff der steuerlichen Nebenleistungen, sondern aus der inhaltlichen und zeitlichen Abhängigkeit der Zinsen von der Hauptschuld. Eine Minderung oder eine Erfüllung der Steuerschuld bewirkt daher, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Herabsetzung oder den Wegfall der Zinsen.[5]

 

Rz. 6

Wegen der vom BFH in Änderungsfällen konkretisierten Akzessorietät sah sich der Gesetzgeber gezwungen, im Missbrauchsbekämpfungs- und SteuerbereinigungsG v. 21.12.1993 durch Änderung bzw. Ergänzung der Zinsvorschriften in §§ 234237 AO Ausnahmen von den Wirkungen der Akzessorietät anzuordnen.

 

Rz. 7

Ist ein Verzinsungstatbestand erfüllt, so ist die Verzinsung durchzuführen. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung[6] gilt für die Verzinsung entsprechend, sodass für die Verwaltung insoweit kein Ermessensspielraum besteht. Im Insolvenzverfahren teilen die bis zu seiner Eröffnung aufgelaufenen Zinsen gem. § 39 InsO das Schicksal der zugrunde liegenden Hauptsteuerforderung.[7]

 

Rz. 8

Da diese Zeit z. B. durch sehr unterschiedliche Erklärungszeitpunkte, kurze oder lange Veranlagungsverfahren aus verschiedensten Gründen, Ermittlung erst durch Außenprüfung usw. unterschiedlich lang ist, soll durch die Verzinsung der Nachforderungen oder Erstattungen ein Ausgleich geschaffen werden. Deswegen enthält § 233a AO eine Zinsregelung nur für diesen Bereich und lässt die bisher schon geltenden Zins- und Säumniszuschlagsregelunge...

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