Rz. 5

Die Forderungen, die an der Aufrechnung teilnehmen, müssen entstanden sein. Das gilt sowohl für die Gegenforderung des Aufrechnenden als auch für die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners. Eine Steuerforderung entsteht nach § 38 AO in dem Zeitpunkt, in dem der Tatbestand verwirklicht ist, bei periodischen Steuern mit Ablauf des Besteuerungszeitraums.[1]

 

Rz. 6

Zur Aufrechnung sind Forderungen geeignet, die gleichartig sind. Gleichartig sind nach § 387 BGB Forderungen, die eine gleichartige Leistung zum Gegenstand haben. Da Steuerforderungen nach § 3 AO immer Geldleistungen sind, muss auch die andere Forderung auf Geld, und zwar inländisches Geld, lauten. Auf deutsche Währung lautende Forderungen sind immer gleichartig. Lautet eine der beiden Forderungen auf eine ausländische Währung (z. B. Staatsanleihe in ausländischer Währung), ist keine Gleichartigkeit gegeben.[2] Ebenfalls keine Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners uneingeschränkt auf Geld lautet, die Gegenforderung des Aufrechnenden sich aber nur gegenständlich beschränkt und auf einzelne Vermögensgegenstände des Aufrechnungsgegners bezieht. Das ist der Fall, wenn dem FA ein Haftungsanspruch nach § 74 AO zusteht. Dann kann die Finanzbehörde einen gegen sie gerichteten Erstattungsanspruch nicht durch Aufrechnung mit dem Haftungsanspruch zum Erlöschen bringen. Der Haftungsanspruch nach § 74 AO ist auf Befriedigung durch Vollstreckung in die überlassenen Gegenstände beschränkt und daher nicht gleichartig mit einem Anspruch, der ohne eine solche Beschränkung aus dem gesamten Vermögen zu befriedigen ist. Zwar ist die Aufrechnung keine Vollstreckung in diesem Sinne, doch hat der BFH für Zwecke der Gleichartigkeit die Aufrechnung im Ergebnis der Vollstreckung gleich gestellt.[3] Die Haftung nach § 74 AO erstreckt sich auch auf Surrogate, ist aber weiterhin gegenständlich beschränkt. Daher besteht auch hinsichtlich der Surrogate keine Gleichartigkeit mit einem gegenständlich unbeschränkten Anspruch, und zwar auch dann nicht, wenn das Surrogat ebenso wie der Hauptanspruch des Aufrechnungsgegners, auf Geld lautet.[4] Entsprechendes dürfte für andere Fälle der gegenständlich beschränkten Haftung, wie nach § 76 AO, gelten.

 

Rz. 7

Nicht erforderlich ist, dass Leistung und Gegenleistung jeweils ihren Grund im Steuerschuldverhältnis haben. Auch zwischen einer Steuerforderung und einem zivilrechtlichen Anspruch oder einem Kostenerstattungsanspruch ist Aufrechnung möglich.[5] Zur Frage der Aufrechnung, wenn gegen den Aufrechnenden mehrere Forderungen bestehen, Rz. 14.

 

Rz. 8

Aufrechnung ist grundsätzlich nur möglich, soweit die beiden Forderungen, die durch Aufrechnung getilgt werden, im Zeitpunkt des Entstehens der Aufrechnungslage tatsächlich bestanden haben.[6] Unter "Bestehen" ist dabei sowohl das materielle Bestehen der Forderung zu verstehen als auch bei Steuerforderungen ihr "formelles" Bestehen aufgrund einer bestandskräftigen Festsetzung in einem Steuerbescheid. Ist eine Steuerforderung bestandskräftig in einem Steuerbescheid festgesetzt worden, ist für das weitere Verfahren, und damit auch für die Aufrechnung, davon auszugehen, dass die Forderung auch materiell-rechtlich besteht. Die formelle "causa" der Bestandskraft wirkt daher auch für die Aufrechnung. Besteht ein bestandskräftiger Steuerbescheid, ist im Verfahren über die Aufrechnung daher nicht mehr zu prüfen, ob die Steuerschuld nach dem Gesetz tatsächlich besteht.[7]

 

Rz. 9

Besondere Regeln gelten, wenn die Steuerschuld durch einen Vorauszahlungsbescheid festgesetzt worden ist. Auch Vorauszahlungsbescheide können bestandskräftig werden und bilden eine Grundlage für die Aufrechnung. Das gilt uneingeschränkt für Aufrechnungen bis zum Zeitpunkt des Ergehens des Jahressteuerbescheids. Diese Aufrechnungen bleiben grundsätzlich auch für die Zeit nach Erlass des Jahressteuerbescheids wirksam.

Zu berücksichtigen ist aber, dass trotz Bestandskraft ein Vorauszahlungsbescheid nur vorläufig in dem Sinn ist, dass er durch den Jahressteuerbescheid verdrängt wird.[8] Nach Erlass des Jahressteuerbescheids richtet sich die Höhe der Steuerschuld nur noch nach diesem, nicht mehr nach dem Vorauszahlungsbescheid. Bei der Umsatzsteuer richtet sich die materielle Höhe der Umsatzsteuerforderung daher ausschließlich nach dem Jahressteuerbescheid, d. h. nach dem Saldo der Umsatzsteuer auf die Lieferungen und Leistungen und den Vorsteuerbeträgen. Im Ergebnis kommt es zu einer automatischen Verrechnung der Umsatzsteuer mit den Vorsteuern, ohne dass die Regeln über die Aufrechnung eingreifen. Einer etwaigen Aufrechnung unterliegt nur dieser Saldo, d. h. die Zahllast. Kann im Insolvenzverfahren keine Jahressteuerfestsetzung mehr ergehen, sind diese Grundsätze auf die errechnete und zur Insolvenztabelle angemeldete Umsatzsteuerforderung zu beziehen. Eine förmliche Festsetzung durch Steuerbescheid ist für die Bildung des Saldos aus Umsatzsteuer und Vorsteuer außerhalb der Aufrechnungsregeln daher n...

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