Rz. 6

Eine Bindung der Finanzverwaltung kann sich, außerhalb einer Zusage, auch aus einem bestimmten Verhalten der Finanzbehörde ergeben. Das ist dann der Fall, wenn es die Grundsätze von Treu und Glauben gebieten, dass sich die Finanzbehörde nicht mit dem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch setzt, auf das der Stpfl. vertraut hat und vertrauen durfte.[1] Ein solcher Fall kann immer nur in Ausnahmefällen vorliegen. Es muss im Einzelfall dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen, dass sich die Verwaltung von dem Rechtsschein löst, den ihr eigenes konkludentes Verhalten gesetzt hat. Das Vertrauen des Stpfl. in das Verhalten der Finanzbehörde muss in so hohem Maße schutzwürdig sein, dass demgegenüber der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung zurückzutreten hat.[2] Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung grundsätzlich die Entscheidungen der Finanzbehörde keine Wirkung für die Zukunft entfalten, der Stpfl. also nicht darauf vertrauen darf, dass die Finanzbehörde für die folgenden Besteuerungszeiträume ebenso entscheiden wird wie für einen vorangegangenen.[3] Sowohl Steuerfestsetzungen als auch Betriebsprüfungsberichte und sonstige Äußerungen der Finanzverwaltung beziehen sich immer auf bestimmte Zeiträume, entfalten also grundsätzlich keine darüber hinausgehende Bindung.[4]

 

Rz. 7

Besteht ausnahmsweise ein Vertrauenstatbestand, aufgrund dessen der Stpfl. darauf vertrauen durfte, dass die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung auch für die Zukunft bleiben würde, besteht trotzdem keine Bindung der Finanzverwaltung, wenn sich der maßgebende Sachverhalt in der Zwischenzeit geändert hat.[5] Schließlich muss noch hinzukommen, dass der Stpfl. im Vertrauen auf das Verhalten der Finanzbehörde wirtschaftlich disponiert hat, das Verhalten der Finanzbehörde also ursächlich für das Verhalten des Stpfl. war.[6]

 

Rz. 8

Eine Bindung an früheres Verhalten hat die Rspr. bei der Frage der Gewerbesteuerpflicht angenommen. Auch hier ist Ausgangspunkt, dass der Nichterlass von Gewerbesteuermessbescheiden für frühere Jahre selbst bei unverändertem Sachverhalt die Finanzverwaltung nicht hindert, für noch nicht verjährte Besteuerungszeiträume GewSt festzusetzen. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch, wenn die Einkünfte bei der ESt-Veranlagung nicht als gewerbliche Einkünfte behandelt worden sind. Der ESt-Bescheid ist für den GewSt-Bescheid weder ein Freistellungsbescheid noch eine entsprechende verbindliche Zusage.[7] Zieht die Finanzbehörde den Stpfl. jedoch längere Zeit nicht zur GewSt heran, obwohl ihr der Sachverhalt bekannt ist, und stuft sie bei den ESt-Veranlagungen die fraglichen Einkünfte als nicht gewerblich ein, kann sich der Stpfl. darauf verlassen, dass er zumindest für diese vergangenen Zeiträume nicht mehr zur GewSt herangezogen wird.[8]

 

Rz. 9

Diese Bindung der Finanzverwaltung tritt aber nur ein, wenn der ESt-Bescheid für das Folgejahr erlassen worden ist, ohne dass die Einkünfte als gewerblich eingestuft worden sind. Bevor der ESt-Bescheid für das Folgejahr ergangen ist, muss der Stpfl. noch mit einer Überprüfung des Vorjahres rechnen. Schließlich tritt keine Bindung hinsichtlich der GewSt ein, solange der ESt-Bescheid des jeweiligen Folgejahres, in dem die Einkünfte als nicht gewerblich eingestuft sind, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO steht. Durch den Vorbehalt hat sich die Finanzbehörde die vollständige Überprüfung des Steuerfalls, und damit auch der Frage der Einordnung der Einkünfte, offen gehalten, sodass kein Vertrauenstatbestand für den Stpfl. verwirklicht ist.[9] Entsprechendes gilt für einen ESt-Bescheid, bei dem die Einordnung der Einkünfte vorläufig nach § 165 AO ist.

 

Rz. 10

Ebenso würde es etwa Treu und Glauben widersprechen, wenn die Behörde ein Bestätigungsschreiben des Stpfl., in dem er den Inhalt einer vorangegangenen Verhandlung wiedergibt und zum Ausdruck bringt, dass die Behörde ihm eine Zusage bestimmten Inhalts erteilt habe, widerspruchslos hinnimmt, sich dann aber an den Inhalt der angeblichen Zusage nicht gebunden fühlt.[10] Der Umfang dieser Bindung ist aber eng zu fassen. Weder muss die Behörde reagieren, um eine Bindung auszuschließen, wenn der Stpfl. ohne vorangegangene schriftliche oder mündliche Erörterungen ein "Bestätigungsschreiben" übersendet, noch besteht eine Vermutung, dass ein solches Schreiben die Behörde erreicht hat, wenn der Stpfl. es abgesandt hat. Zu beachten ist aber, dass ein konkludentes Verhalten im Rahmen einer Außenprüfung (einschließlich Schlussbesprechung) keine Verbindlichkeit für die Zukunft entfalten kann, da für diese Fälle § 204 AO eine gesetzliche Regelung enthält und andere Formen der Bindung insoweit ausschließt.

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