1 Allgemeines

1.1 Bedeutung und Systematik der Prüfungsanordnung

 

Rz. 1

Die Prüfungsanordnung bildet die wesentliche, formalisierte Grundlage der Außenprüfung. Aufgrund der §§ 193, 194 AO besteht die allgemeine Pflichtigkeit der in § 193 AO genannten Personen, die Außenprüfung in dem in § 194 AO umschriebenen (persönlichen, sachlichen und zeitlichen) Umfang zu dulden. Diese Pflichtigkeit ist i. d. S. abstrakt, als sie lediglich die Möglichkeit schafft, bei einem bestimmten Personenkreis, der in § 193 AO umschrieben ist, Außenprüfungen durchzuführen. Dagegen bietet diese allgemeine, abstrakte Pflichtigkeit (noch) keine ausreichende Grundlage für die konkrete, einzelne Außenprüfung. Die allgemeine, eine Vielzahl von Personen treffende Pflichtigkeit zum Dulden von und zur Mitwirkung an Außenprüfungen muss erst im jeweiligen Einzelfall zu einer rechtlichen Verpflichtung konkretisiert werden. Diese Konkretisierung erfolgt durch die Prüfungsanordnung. Durch die Prüfungsanordnung wird dem Stpfl. aufgegeben, die Prüfung in dem in der Prüfungsanordnung näher beschriebenen Umfang zu dulden.[1] Damit wird die allgemeine Pflichtigkeit des Stpfl., aus § 193 Abs. 1 AO, Prüfungen dulden zu müssen, für den Einzelfall konkretisiert.

 

Rz. 1a

Von der Prüfungsanordnung zu unterscheiden ist der Prüfungsauftrag, mit dem ein bestimmter Außenprüfer mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragt wird. Der Prüfungsauftrag ist eine verwaltungsinterne Anweisung ohne Rechtswirkungen gegenüber dem Stpfl. Er hat daher keine Außenwirkung und ist kein Verwaltungsakt.[2]

 

Rz. 2

Andererseits bildet die Prüfungsanordnung aber nicht nur die Konkretisierung der Pflicht, sondern bildet ihrerseits die Grundlage zu einer weiteren Konkretisierung durch die einzelnen Akte im Rahmen der Außenprüfung. Die Prüfungsanordnung selbst besagt noch nicht mehr, als dass ein bestimmter Stpfl. eine Außenprüfung in einem bestimmten Umfang dulden und in diesem Rahmen bei der Prüfung mitwirken muss. Ein konkretes Handeln wird hierdurch von dem Stpfl. noch nicht verlangt. Das geschieht erst durch Anforderungen im Rahmen der Außenprüfung, durch die die aufgrund der Anordnung der Außenprüfung bestehende (abstrakte) Mitwirkungspflicht[3] konkretisiert wird, z. B. durch die Anforderung zur Vorlage bestimmter Unterlagen.

 

Rz. 2a

Die Prüfungsanordnung hat demnach auch die Funktion einer rechtlichen Basis für die Verpflichtung zur Erfüllung der einzelnen Mitwirkungspflichten nach § 200 AO im Rahmen der Außenprüfung. Ohne bzw. außerhalb einer Prüfungsanordnung fehlt jeder Anforderung nach § 200 AO die rechtliche Basis; die Finanzbehörde kann sich dann nicht auf § 200 AO, sondern nur auf §§ 93ff. AO stützen.

Sie ist damit nicht nur Mittel zur Unterrichtung des Stpfl., die auch auf andere Weise erfolgen könnte, sondern konstitutive Grundlage für ein rechtsstaatliches Außenprüfungsverfahren.

 

Rz. 3

Die Prüfungsanordnung ist konstitutiv, da durch sie der geprüfte Stpfl. und der (persönliche, sachliche und zeitliche) Umfang der Außenprüfung festgelegt wird.[4] Wird eine Prüfungsanordnung ergänzt bzw. erweitert (Ausdehnung der Außenprüfung auf weitere Besteuerungszeiträume/Steuerarten), ist die Ergänzungsanordnung als selbstständige (weitere) Prüfungsanordnung zu behandeln. Ohne (wirksame) Prüfungsanordnung liegt eine Außenprüfung i. S. d. AO nicht vor; die Prüfungsanordnung ist also konstituierende Grundlage des Verfahrens der Außenprüfung. Sie bildet damit gleichzeitig die rechtliche Grundlage für die Rechtswirkungen, die bestimmte Vorschriften an das Verfahren der Außenprüfung knüpfen.[5] Wenn keine Prüfungsanordnung ergangen ist, bzw. soweit keine Prüfungsanordnung ergangen ist (z. B. außerhalb des sachlichen und zeitlichen Umfangs der Außenprüfung), können diese Rechtswirkungen nicht eintreten[6], auch wenn (tatsächlich) eine Prüfung durchgeführt wurde.

 

Rz. 3a

Die Prüfungsanordnung entfaltet somit unmittelbar Rechtswirkungen nach außen; sie ist daher (belastender) Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO.[7] Für die Prüfungsanordnung gelten daher alle Regeln der §§ 118ff. AO. Das gilt grundsätzlich auch für § 120 AO (Nebenbestimmungen); die Prüfungsanordnung ist von Natur aus nicht "nebenbestimmungsfeindlich".[8] Praktisch dürften Nebenbestimmungen allerdings selten sein.

[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 196 AO Rz. 6.
[4] Zu dem sich hieraus ergebenden notwendigen Inhalt der Prüfungsanordnung vgl. Rz. 6ff.
[5] §§ 164 Abs. 3, 171 Abs. 4, 173 Abs. 2 AO; ebenso für die Selbstanzeige, § 371 AO, BGH v. 15.1.1988, 3 StR 465/87, NJW 1988, 3272.
[6] Z. B. keine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO.
[7] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 196 AO Rz. 9; Thüringer FG v. 27.1.2016, 3 K 699/15, EFG 2016, 1397; Nichtzulassungsbeschwerde; Akt.Z. des BFH XI B 65/16.
[8] A. A. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 196 AO Rz. 11.

1.2 Materielle Bedeutung der Prüfungsanordnung

 

Rz. 4

Über eine Außenprüfung ergeht eine (einheitliche) Prüfungsanordnung. Der Rahmen der Außenprüfung ist durch § 194 Abs. 1 AO gezogen, die einheitliche ...

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