Rz. 199

Abs. 5 gibt eine eigenständige Regelung der Zulässigkeit der Hinzuziehung oder Beiladung des Dritten. Unter Hinzuziehung ist die Beteiligung des Dritten im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren[1] oder analog im Veranlagungsverfahren (vgl. Rz. 209) zu verstehen, unter Beiladung die Beteiligung in einem gerichtlichen Rechtsmittelverfahren.[2]

 

Rz. 200

Voraussetzung der Hinzuziehung oder Beiladung nach Abs. 5 ist nicht, dass die Voraussetzungen von § 360 bzw. § 60 FGO vorliegen, da § 174 Abs. 5 AO eine selbstständige Regelung darstellt.[3] Voraussetzung ist lediglich, dass sich aus dem Antrag oder der Anfechtung der Steuerfestsetzung durch den Stpfl. die Möglichkeit ergeben kann, dass der gleiche Sachverhalt, der sich zwischen Finanzbehörde und Stpfl. im Streit befindet, bei dem Dritten steuerlich erfasst werden kann. Es braucht also nicht festzustehen, dass der streitige Sachverhalt zu steuerlichen Auswirkungen bei dem Dritten führen wird. Es genügt die Möglichkeit.[4]

Zum Begriff des Sachverhalts vgl. Rz. 24.

 

Rz. 201

Für die Zulässigkeit der Hinzuziehung oder Beiladung nach Abs. 5 braucht nicht festzustehen, dass der fragliche Sachverhalt dem Dritten zuzurechnen ist, auch nicht, dass und zu welchen steuerlichen Auswirkungen er bei dem Dritten führen würde. Es genügt, dass aufgrund einer summarischen Prüfung solche Folgen nicht ausgeschlossen erscheinen. Eine Beiladung ist daher nur dann unzulässig, wenn die steuerlichen Verhältnisse des Dritten durch den Rechtsstreit unter keinem Gesichtspunkt berührt werden können.[5] Ob und mit welchen Auswirkungen der Sachverhalt bei dem Dritten erfasst werden muss, ist nicht Streitgegenstand des Verfahrens, zu dem der Dritte hinzugezogen oder beigeladen wird, und daher nicht in diesem Verfahren zu entscheiden. Daher ist im Beiladungsverfahren auch nicht zu prüfen, ob die Bescheide gegen den Dritten tatsächlich geändert werden könnten. Es genügt, dass dies nicht auszuschließen ist.[6] Auch die Frage, ob bei dem Dritten bereits Verjährung eingetreten ist, ist in dem späteren Hauptverfahren gegen ihn, nicht in dem Beiladungsverfahren zu prüfen.[7] Eine Beiladung hat lediglich dann zu unterbleiben, wenn unstreitig feststeht, dass der Dritte in seinen steuerrechtlichen Interessen vom Ausgang des Rechtsstreits nicht berührt sein kann, z. B. weil die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.[8] Dies setzt aber voraus, dass auch die verlängerte Festsetzungsfrist für Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Steuerverkürzung unzweifelhaft abgelaufen ist. Der Ablauf der Festsetzungsfrist gegen den Dritten muss dann allerdings eindeutig und zweifelsfrei feststehen. Das Beiladungsverfahren ist nicht geeignet, insoweit Ermittlungen anzustellen; das muss dem Rechtsbehelfsverfahren bei Änderung des Bescheids gegen den Dritten überlassen bleiben.[9] Außerdem hat die Beiladung zu unterbleiben, wenn feststeht, dass der fragliche Sachverhalt bei dem Dritten bereits zutreffend erfasst worden ist oder wenn über diese Frage gegenüber dem Dritten bereits rechtskräftig entschieden ist. Rechtskräftig entschieden ist die Angelegenheit auch, wenn der Rechtsstreit zugunsten des Dritten durch übereinstimmende Erklärung der Parteien erledigt ist.[10]

 

Rz. 202

Entsprechend kann im Verfahren über einen Haftungsbescheid der Stpfl. nicht beigeladen werden, da die Entscheidung über den Haftungsbescheid (Aufhebung des Haftungsbescheids) unter keinen denkbaren Umständen Auswirkungen auf seine (des Stpl.) Rechtsstellung haben kann.[11]

 

Rz. 203

Es genügt die Möglichkeit der Auswirkung auf den Dritten; sie braucht bei der Beiladung noch nicht festzustehen.[12] Es ist auch nicht Voraussetzung für die Beiladung, dass bei dem Dritten die Folgerungen die gleiche Steuerart betreffen werden wie bei dem Stpfl. Ebenso kann eine Beiladung erfolgen, wenn steuerliche Folgen sowohl bei dem Dritten als auch bei dem Stpfl. gezogen werden können. Maßgebend ist nur, dass aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt, der Streitgegenstand des Anfechtungsverfahrens des Stpfl. ist, steuerliche Folgen irgendwelcher Art bei dem Dritten zu ziehen sein können.[13]

 

Rz. 204

Die Beiladung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Finanzbehörde den Dritten auch aufgrund anderer Vorschriften in Anspruch nehmen könnte, die Steuerfestsetzung des Dritten etwa nach § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht oder nach § 165 AO vorläufig ist; die Beiladung verschafft dem FA die materielle Bindung, dass der Dritte nicht mehr behaupten kann, die Entscheidung sei materiell unrichtig gewesen.[14]

 

Rz. 205

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so muss auf Antrag die Beiladung ausgesprochen werden.[15] Erfolgt die Beiladung nicht, liegt ein Verfahrensfehler vor, sodass auf die Rüge des FA das finanzgerichtliche Urteil im Revisionsverfahren aufgehoben werden muss; der Fehler stellt aber keinen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, der auch ohne Rüge durch Aufhebung des Urteils im Revisionsverfahren zu beachten wäre.[16]

 

Rz. 206

Die...

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