Rz. 191

Sind die steuerlichen Folgen aus dem Sachverhalt nicht bei dem Stpfl., gegen den der unrichtige Steuerbescheid ergangen ist, sondern bei einem Dritten zu berücksichtigen, so kann die gegen den Dritten gerichtete Steuerfestsetzung nach Abs. 5 entsprechend Abs. 4 nur aufgehoben oder geändert werden, wenn der Dritte an dem Verfahren über die Änderung des Bescheids des Stpfl. beteiligt worden ist. Zur Frage einer Änderung des Bescheids gegenüber dem Dritten ohne eine formelle Beteiligung am Verfahren vgl. Rz. 228. Es muss sich nicht um einen "Widerstreit" i. S. d. Abs. 1–3 handeln; es genügt, wenn sich aus dem Obsiegen des Stpfl. steuerliche Folgen für den Dritten ergeben.

 

Beispiel 1:

Vater und Sohn haben eine Familienpersonengesellschaft gegründet, die vom FA nicht anerkannt wird; die Einkünfte wurden daher allein dem Vater zugerechnet. Hat nun ein hiergegen gerichteter Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel des Vaters Erfolg, kann auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die Veranlagung des Sohns die steuerliche Zurechnung beim Sohn erfolgen, wenn er zum Verfahren beigeladen worden war.

 

Beispiel 2:

Der Stpfl. greift eine ErbSt-Festsetzung an, weil sein Erbanteil niedriger ist als vom FA angenommen. Daraus kann sich ergeben, dass die Erbanteile der anderen Erben höher sind. Die anderen Erben können beigeladen werden.[1]

 

Rz. 191a

Da Abs. 5 auf Abs. 4 verweist, ist Voraussetzung der Anwendung des Abs. 5, dass der Steuerbescheid zugunsten des Stpfl. aufgehoben oder geändert wird, der Stpfl. also mit seinem Rechtsschutzantrag ganz oder teilweise durchdringt. Dagegen ist Abs. 5 nicht anwendbar, wenn Folgerungen daraus gezogen werden sollen, dass der angefochtene Steuerbescheid bestätigt wird. Treten die für den Dritten nachteiligen Folgen also nur dann ein, wenn der Steuerbescheid auf den Einspruch oder die Klage des Dritten hin aufrechterhalten wird, ist Abs. 5 nicht anwendbar.[2] Dementsprechend kann in einem solchen Fall der Dritte nicht beigeladen werden. Das ist etwa der Fall, wenn in einem Rechtsbehelfsverfahren zwischen Kapitalgesellschaft und FA die Frage der verdeckten Gewinnausschüttung streitig ist. Nachteilige Folgen für den Gesellschafter als Dritten können sich nur ergeben, wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, der Rechtsbehelf der Kapitalgesellschaft also zurückgewiesen wird. Dann kann der Gesellschafter nicht nach Abs. 5 beigeladen werden.

 

Rz. 192

§ 174 Abs. 5 AO greift immer ein, wenn die Erfassung der fraglichen Besteuerungsgrundlagen bei einem Dritten zu erfolgen hat. Ob dies aufgrund von Rechtsfragen oder Sachverhaltsfragen der Fall ist, ist ohne Bedeutung.[3]"Dritter" i. d. S. ist jeder, der in dem fehlerhaften Steuerbescheid nicht als Steuerschuldner genannt worden war, der also nicht aus eigenem Recht an den Steuerfestsetzungs- und Rechtsbehelfsverfahren beteiligt ist.[4] Es kommt also auf die formale Stellung im Verfahren an. Nicht maßgebend ist, ob der Dritte Gesellschafter oder Vertretungsberechtigter des Stpfl. ist.[5] Für die Anwendung des § 174 Abs. 4, 5 AO sind daher Insolvenzverwalter und Insolvenzschuldner "Dritte" in diesem Sinne. Eine Änderung des gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Steuerbescheids wegen einer Änderung des gegen den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheids ist daher nur zulässig, wenn der Insolvenzschuldner zu dem Verfahren beigeladen worden ist, und umgekehrt.[6] Nicht entscheidend ist, ob der Stpfl. in dem einen Bescheid Steuerschuldner, in dem anderen Bescheid Entrichtungsschuldner ist. Abs. 4, nicht Abs. 5, ist daher anzuwenden, wenn die Änderung des KSt-Bescheids infolge einer Ausschüttung eine Änderung der Festsetzung der KapErtrSt zur Folge hat.[7] In beiden Verfahren ist die ausschüttende Körperschaft aus eigenem Recht Verfahrensbeteiligte. Dritter ist jeder, der nicht aus eigenem Recht an dem Steuerfestsetzungs- und Rechtsbehelfsverfahren beteiligt ist (vgl. auch Rz. 227). Gesamtrechtsnachfolger sind danach nicht "Dritte"; sie rücken vollen Umfangs in die Stellung des Steuerschuldners/Stpfl. ein und sind selbst Verfahrensbeteiligte.[8] Die Änderung gegenüber Gesamtrechtsnachfolger nach Abs. 4 ist möglich, wenn die Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist, bevor die Festsetzungsfrist dem Gesamtrechtsnachfolger gegenüber eingetreten ist. Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, sind im Verhältnis zueinander nicht "Dritte", wenn beide Einspruch eingelegt haben. Sie sind dann jeder aus eigenem Recht an dem Einspruchs- oder Gerichtsverfahren beteiligt. Sie sind aber im Verhältnis zueinander "Dritte", wenn sich die in dem zusammengefassten Steuerbescheid liegenden Steuerfestsetzungen gegen die beiden Ehegatten verfahrensmäßig unterschiedlich entwickeln, etwa der eine Ehegatte nur für sich einen Einspruch einlegt oder den von beiden Ehegatten eingelegten Einspruch nur für sich zurücknimmt.[9]"Dritter" ist auch eine Organgesellschaft im Verhältnis zum Organträger, und zwar sowohl bei der körperschaft- und gewerbesteuerlichen als auch bei der um...

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