Rz. 185

Grobes Verschulden liegt bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vor. Vorsatz ist das bewusste Nichtvorbringen von Tatsachen. Hierunter fällt auch der bedingte Vorsatz.[1] Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Stpfl. die ihm nach seinen individuellen Verhältnissen zuzumutende Sorgfalt in besonders schwerem Maß und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat, wenn sein Fehler ihm ohne Weiteres einleuchten und sich ihm aufdrängen musste.[2] Das grobe Verschulden kann daher nicht allein generalisierend aus äußeren, objektiven Umständen abgeleitet werden, wie der fehlenden Komplexität des Steuerfalls. Vielmehr sind tatsächliche Feststellungen hinsichtlich des individuellen Verschuldens des Stpfl. oder seines steuerlichen Beraters erforderlich. Bei dieser einzelfallbezogenen Beurteilung können objektive Umstände als Aspekte bzw. Indizien eines Verschuldens einbezogen werden.[3] Auch wenn die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Stpfl. bzw. seines Beraters maßgebend sind, wird der Maßstab des groben Verschuldens nicht dadurch verändert oder beeinflusst, dass der Stpfl. abweichenden kulturellen oder religiösen Traditionen unterliegt.[4]

 

Rz. 186

"Gewöhnliche" Fehler wie Vergessen, Irrtümer, Verwechslungen und ähnliche mechanische Fehler, mit deren Vorkommen regelmäßig gerechnet werden muss, begründen den Vorwurf des groben Verschuldens nicht. Es handelt sich nicht um grobe, sondern um üblicherweise vorkommende Fehler.[5] Auch das Vergessen des Übertrags selbst ermittelter Besteuerungsgrundlagen in das Steuererklärungsformular begründet nicht notwendig grobe Fahrlässigkeit. Mit solchen Fehlern muss üblicherweise gerechnet werden. Andererseits ist nicht jeder mechanische Fehler entschuldbar; er kann auch auf einer besonders schweren Sorgfaltsverletzung beruhen. So können von dem Stpfl. einfache Kontrollen verlangt werden, um sicherzustellen, dass keine Angaben vergessen werden.[6]

Andererseits kann sich der Stpfl. i. d. R. nicht auf Vergessen berufen, wenn er laufende Zahlungen leistet und von seinem Steuerberater nach solchen Zahlungen ausdrücklich gefragt wird, auch wenn der Rechtsgrund der Zahlungen längere Zeit zurückliegt. Bei laufenden Zahlungen und einer ausdrücklichen Frage danach beruht es auf grober Fahrlässigkeit, wenn der Stpfl. die Angabe dieser Zahlungen vergisst.

 

Rz. 186a

Mehrere einfache Fehler lassen sich nicht zum Vorwurf der groben Fahrlässigkeit addieren.[7] Auch begründet die bloße Unkenntnis steuerlicher Vorschriften i. d. R. kein grobes Verschulden.[8] Ebenfalls kein grobes Verschulden liegt vor, wenn der Stpfl. durch eine missverständliche Bescheinigung usw. irregeführt worden ist.[9] Schließlich kann grobes Verschulden durch die bes. Situation, in der sich der Stpfl. befindet, ausgeschlossen sein.[10]

 

Rz. 187

Da es auf die individuelle Erkenntnisfähigkeit des Stpfl. ankommt, sind die Anforderungen bei einem fachlich vorgebildeten Stpfl. (in eigener Steuerangelegenheit) sowie bei einem Steuerberater höher als bei einem nicht fachlich vorgebildeten Stpfl.[11] Auch bei einem Steuerfachangestellten kann ein bestimmter Grad von steuerlichen Kenntnissen angenommen werden, so dass grobes Verschulden vorliegen kann.[12] Auch hier liegt aber grobes Verschulden nur vor, wenn der Stpfl. bzw. sein steuerlicher Berater die von ihm nach seinem Kenntnis- und Erfahrungshorizont zu erwartende Sorgfalt in besonders schwerem Maß und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat. Bei schwierigen Rechtsfragen ist dies auch bei einem steuerlichen Berater nicht der Fall.[13]

 

Rz. 187a

Ob grobes Verschulden in Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage, die von dem FG zu entscheiden ist. Im Revisionsverfahren kann diese Entscheidung nur darauf überprüft werden, ob das FG die anerkannten Maßstäbe für das Vorliegen eines groben Verschuldens berücksichtigt hat.

 

Rz. 188

Allein dadurch, dass die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflicht verletzt, wird grobes Verschulden des Stpfl. nicht ausgeschlossen.[14] Es ist in erster Linie Sache des Stpfl., die für ihn günstigen Tatsachen der Finanzbehörde mitzuteilen.

 

Rz. 189

Die Frage, ob es grobes Verschulden begründet, wenn der Stpfl. eine unzweideutige Frage in der Steuererklärung nicht beantwortet oder einen Hinweis in den Erläuterungen oder einem Merkblatt nicht beachtet, ist nach objektiven und subjektiven Kriterien zu beantworten. In objektiver Hinsicht muss der Stpfl. die Steuererklärung sorgfältig ausfüllen und alle für seinen Steuerfall relevanten Fragen beantworten sowie die Erläuterungen zu der Steuererklärung und etwaige Merkblätter sorgfältig lesen. Weitere Voraussetzung ist aber, dass die Fragen in der Steuererklärung, die Hinweise und Merkblätter sachlich richtig, vollständig, verständlich und unzweideutig sind. Es ist daher ein Indiz für grobes Verschulden, wenn der Stpfl. einen ausdrücklichen, unzweideutigen Hinweis der Finanzbehörde in Erläuterungen oder Merkblättern bewusst nicht beachtet oder eine ausdrückliche unzweideutige Frage in einer Steuererklärung falsch oder...

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