Rz. 54

Die Ablaufhemmung bezieht sich nur auf den Steuerfall, der durch den Rechtsbehelf des Stpfl. in Streit gezogen wurde.[1] Keine Ablaufhemmung tritt ein hinsichtlich eines anderen Steueranspruchs (anderer Zeitraum, andere Steuerart, anderer Stpfl.), auch wenn es sich um ein gleichgelagertes "Parallelverfahren" gehandelt hat.[2]

 

Rz. 55

Die Ablaufhemmung wirkt nur für und gegen denjenigen Stpfl., der den Einspruch eingelegt bzw. die Klage erhoben hatte. Für und gegen andere Personen tritt keine Ablaufhemmung ein, auch nicht für und gegen Gesamtschuldner.[3] Hat das Vorgehen des Stpfl. Erfolg, weil der durch die angegriffene Steuerfestsetzung erfasste Sachverhalt nicht in diesem, sondern in einem anderen Besteuerungsfall hätte berücksichtigt werden müssen, ist die Festsetzungsfrist dieser anderen Steuerfestsetzung nicht nach Abs. 3 gehemmt (Beispiel: Der USt-Bescheid wird aufgehoben oder geändert, weil der fragliche Vorgang einer anderen Verkehrsteuer unterliegt; der ESt-Bescheid wird geändert, weil der fragliche Vorgang einem anderen Besteuerungszeitraum zuzuordnen ist). Diese Fälle werden durch § 174 Abs. 4, 5 AO erfasst, der in gewissem Rahmen eine Durchbrechung der Festsetzungsfrist zulässt.[4]

 

Rz. 56

Entsprechend ist zu entscheiden, wenn ein Bescheid gegen einen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens bereits verstorbenen Stpfl. ergeht und von den Erben angefochten wird. Ein solcher Bescheid geht ins Leere, da er gegen einen nicht (mehr) existierenden Stpfl. erlassen wurde. Hinsichtlich der Besteuerung der Erben tritt damit keine Ablaufhemmung ein.[5] Entsprechendes gilt, wenn die steuerpflichtige Kapitalgesellschaft durch Umwandlung untergegangen ist.[6]

 

Rz. 57

Hinsichtlich des sachlichen Umfangs der Ablaufhemmung bestimmt Abs. 3a S. 2, dass die Ablaufhemmung für den ganzen Steueranspruch gehemmt ist; es tritt also keine Teilverjährung ein. Das bedeutet insbesondere, dass die Ablaufhemmung nicht auf den vom Stpfl. geltend gemachten Streitgegenstand beschränkt ist; vielmehr erlaubt dies die Verböserung. Durch diese Regelung, die mit Abs. 3a (vgl. Rz. 39) eingeführt wurde, wurde die gegenteilige Rspr. des BFH zum alten Recht[7] korrigiert. Folge ist, dass die Ablaufhemmung bei einem Änderungsbescheid nicht nur hinsichtlich der geänderten Besteuerungsgrundlagen, sondern auch hinsichtlich der im ursprünglichen Bescheid enthaltenen, nicht geänderten Besteuerungsgrundlagen eintritt. Die Ablaufhemmung bezieht sich daher nicht auf den einzelnen angefochtenen Bescheid, sodass hinsichtlich jedes einzelnen Steuerbescheids eine eigenständige Festsetzungsfrist liefe. Die Ablaufhemmung bezieht sich daher immer auf den gesamten Steueranspruch.[8] Das hat z. B. zur Folge, dass bei einem nach § 173 AO geänderten und angefochtenen Steuerbescheid Ablaufhemmung wegen des gesamten Steueranspruchs eintritt und später auftretende Änderungsgründe hinsichtlich anderer Besteuerungsgrundlagen noch verwertet werden können. Eine Änderungsmöglichkeit nach § 164 AO bezieht sich ohnehin auf den gesamten Steueranspruch.

 

Rz. 58

Die Neuregelung bedeutet weiter, dass der Stpfl., wenn er nicht seinen Klageantrag ausdrücklich beschränkt hat, im Klageverfahren über seinen ursprünglichen Antrag hinausgehen kann. Für den über den Klageantrag hinausgehenden Anspruch gilt also die Ablaufhemmung ebenfalls, es ist keine Teilverjährung eingetreten. Andererseits kann die Finanzbehörde im Klageverfahren verbösern. Hinsichtlich eines über die ursprüngliche (angefochtene) Steuerfestsetzung hinausgehenden Steueranspruchs tritt keine Teilverjährung ein. Der Einspruch bzw. die Anfechtungsklage des Stpfl. bringt also Ablaufhemmung hinsichtlich des gesamten festgesetzten Steueranspruchs hervor, nicht nur hinsichtlich des angefochtenen Teils. Zusätzlich tritt Ablaufhemmung auch hinsichtlich des nicht festgesetzten Teils des Steueranspruchs ein. Während die Steuerfestsetzung selbst die Festsetzungsfrist hinsichtlich des nicht festgesetzten Teils des Steueranspruchs nicht wahrt, haben Einspruch bzw. Klage eine weitergehende Wirkung. Sie führen zur Ablaufhemmung (und damit Wahrung der Festsetzungsfrist) auch hinsichtlich des nicht festgesetzten Teils. Nach Abs. 3a S. 1 Hs. 2 gilt dies auch, wenn im Zeitpunkt des Einspruchs bzw. der Klageerhebung die Festsetzungsfrist (nicht aber die Rechtsbehelfsfrist) bereits abgelaufen war.

 

Rz. 59

Die Regelung hat zur Folge, dass ein Einspruch oder eine Klage gegen den Folgebescheid, anders als ein Antrag nach Abs. 3, auch die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen erfasst. Da die Hemmung den gesamten Steueranspruch erfasst, ergreift er auch den auf den festzustellenden Besteuerungsgrundlagen beruhenden Steuerbetrag. Dadurch wird ein Erlass oder eine Änderung des Feststellungsbescheids nach § 181 Abs. 1 S. 1 AO auch dann ermöglicht, wenn die Feststellungsfrist für den Grundlagenbescheid bereits abgelaufen ist.[9]

Rz. 60, 61 einstweilen frei

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