Rz. 1

Die Festsetzungsverjährung der §§ 169171 AO dient dem Rechtsfrieden und steht damit im Spannungsfeld der beiden miteinander konkurrierenden Prinzipien der Rechtssicherheit und der richtigen Besteuerung. Während das Prinzip der richtigen Besteuerung, das vor allem in §§ 172ff. AO zum Ausdruck kommt, die Festsetzung der kraft Gesetzes entstandenen Steuer unabhängig vom Zeitablauf erfordert, besagt das Prinzip der Rechtssicherheit, dass im Interesse des Rechtsfriedens nach einer bestimmten Zeitspanne die Steuerfestsetzung unabänderlich werden muss. Dieses Prinzip der Rechtssicherheit trägt der Tatsache Rechnung, dass sowohl die Erweisbarkeit von Ansprüchen als auch ihre Widerlegung mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger werden.[1] Die relevanten Tatsachen entschwinden dem Gedächtnis der Beteiligten und etwaiger Zeugen, Dokumente gehen verloren usw. Auch die langfristige Aufbewahrung von Unterlagen – über die handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten hinaus, wie sie § 147 Abs. 3 S. 5 AO für steuerliche Zwecke verlangt – kann für den Stpfl. zu einer unzumutbaren Belastung werden. Ein weiterer Aspekt ist die Planungssicherheit für den Stpfl. Er muss davor geschützt werden, noch nach vielen Jahren mit unvorhersehbaren Steueransprüchen konfrontiert zu werden. Anders wäre etwa im Unternehmensbereich eine verantwortliche Finanzplanung kaum möglich. Die Festsetzungsverjährung stellt sicher, dass der Stpfl. nach Ablauf bestimmter Zeitspannen mit Nachforderungen nicht mehr zu rechnen braucht.

 

Rz. 2

§ 169 AO trägt den Anforderungen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens mit den Festsetzungsfristen von einem Jahr bei Verbrauchsteuern und 4 bis 10 Jahren bei den anderen Steuern angemessen Rechnung.[2] Allerdings führen die Anlaufhemmung des § 170 AO und die Ablaufhemmung des § 171 AO in der Praxis zu Festsetzungsfristen, die weit darüber hinausgehen. Insbesondere die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO kann zu untragbaren Ergebnissen führen, da hierdurch die Festsetzungsfrist bei Außenprüfungen zeitlich praktisch ganz aufgehoben wird. Der gesetzgeberische Versuch, dieses Problem durch eine an das Datum der Schlussbesprechung anknüpfende Frist zu lösen, ist gänzlich unzureichend.[3]

[1] BFH v. 31.1.1989, VII R 77/86, BStBl II 1989, 442; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 169 AO Rz. 5.
[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 169 AO Rz. 5.

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