Rz. 65

Der Vermerk der Vorläufigkeit nach § 165 AO ist eine unselbstständige Nebenbestimmung i. S. d. § 120 AO. Er ist daher unselbstständiger Teil der Steuerfestsetzung und kann in seinem Schicksal nicht von dem der Steuerfestsetzung getrennt werden. Er bezieht sich unmittelbar auf den Regelungsgehalt des Steuerbescheids, indem er eine Aussage über die Endgültigkeit der Steuerfestsetzung trifft.[1] Er kann durch selbstständigen Verwaltungsakt nicht beigefügt werden; es handelt sich dann um eine Änderung der Steuerfestsetzung. Er kann auch nicht selbstständig aufgehoben werden; es treten die Wirkungen einer Steuerfestsetzung ein.[2] Der Vorläufigkeitsvermerk ist auch nicht selbstständig anfechtbar.[3] Anfechtung und Rechtswidrigkeit des Vorläufigkeitsvermerks erfassen den gesamten Steuerbescheid.[4]

 

Rz. 66

Grund und Umfang der Vorläufigkeit sind anzugeben. Für die Anordnung der Vorläufigkeit und ihren Umfang gilt § 124 AO, d. h., sie wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem sie bekannt gegeben worden ist. Erforderlichenfalls ist der Inhalt des Vorläufigkeitsvermerks durch Auslegung zu ermitteln.[5] Maßgebend ist, wie der Stpfl. den Vermerk in dem Bescheid nach dem ihm bekannten Umständen und seinem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Dabei ist der gesamte Inhalt des Steuerbescheids zu berücksichtigen.

 

Rz. 67

Die vorläufige Steuerfestsetzung muss als vorläufig gekennzeichnet sein. Eine Verwendung des Worts "vorläufig" ist nicht erforderlich, der Stpfl. muss aber ersehen können, dass er hinsichtlich der ungewissen Sachverhalte noch mit einer abschließenden Klärung rechnen muss.[6]

 

Rz. 68

Die Finanzbehörde muss den Umfang der Vorläufigkeit angeben und ihre Entscheidung begründen. Diese Angaben dienen dem Rechtsschutzinteresse des Stpfl.[7] Obwohl sich die Vorläufigkeit auf die Festsetzung der Steuer bezieht, braucht ihr Umfang nicht betragsmäßig angegeben zu werden. Es genügt die genaue Bezeichnung der Besteuerungsgrundlagen, durch die jedenfalls mittelbar betragsmäßig der Änderungsrahmen abgesteckt wird.[8] Die Anforderungen an die Angabe des Umfangs und des Grunds der Vorläufigkeit bestimmen sich also danach, ob der Stpfl. erkennen kann, welche Besteuerungsmerkmale von der durch die Vorläufigkeit eingeschränkten Bestandskraft betroffen sind, und warum die Finanzverwaltung insoweit eine Unklarheit sieht, die gegenwärtig nicht beseitigt werden kann bzw. warum Unsicherheit hinsichtlich des anzuwendenden Rechts besteht. Der Stpfl. soll wissen, hinsichtlich welcher Besteuerungsmerkmale die Finanzverwaltung im Ungewissen ist und welche Umstände der endgültigen Steuerfestsetzung entgegenstehen.[9] Diese Angaben sind auch deshalb unverzichtbar, weil sie den Umfang der Änderungsmöglichkeit nach Abs. 2 S. 1 bzw. der Zulässigkeit eines Einspruchs gegen die spätere Änderung nach Abs. 2 umschreiben, und weil hierdurch der Umfang der Hemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 8 AO bestimmt wird. Bei allen diesen Faktoren der (eingeschränkten) Bestandskraft, der Zulässigkeit eines möglichen Einspruchs und der Einschränkung der Festsetzungsfrist muss der Umfang aus rechtsstaatlicher Sicht eindeutig bestimmt sein.[10]

 

Rz. 69

Der Umfang der Vorläufigkeit ist nur dann ausreichend konkret angegeben, wenn die Tatsachen angegeben sind, die die Finanzbehörde als ungewiss betrachtet und deren Vorliegen geklärt werden muss[11] bzw. wenn sie die Besteuerungsgrundlagen angibt, hinsichtlich deren Behandlung eine rechtliche Ungewissheit besteht. Dabei können die Tatsachen durch eine Sammelbezeichnung angegeben werden. So genügt es z. B., wenn der Umfang der Vorläufigkeit mit Begriffen wie "Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels", "Gewinnerzielungsabsicht" bzw. "Liebhaberei" o. Ä. umschrieben wird. Es genügt auch die Angabe einer (möglichen) rechtlichen Würdigung, die aus den Tatsachen gezogen werden kann, wenn sichergestellt ist, dass bei dem Stpfl. kein Irrtum über den Umfang der Vorläufigkeit entstehen kann, z. B. "Erbberechtigung". Soweit der Grund der Steuerpflicht ungewiss ist, muss die Finanzbehörde aber auch klarstellen, ob sich die Vorläufigkeit nur auf diesen Grund beziehen soll, oder auch auf davon abhängige Folgefragen. Bei der Ungewissheit hinsichtlich einer Gewinnerzielungsabsicht ist daher klarzustellen, ob die Vorläufigkeit auch die Höhe der ggf. steuerpflichtigen Gewinne betrifft, oder ob diese Frage geklärt und nur die Gewinnerzielungsabsicht ungewiss ist.[12]

 

Rz. 70

Die Vorläufigkeit erfasst nur die angegebenen Besteuerungsgrundlagen und ggf. davon abhängige Folgefragen. Sie erfasst nicht logisch vorrangige Fragen.[13] Wenn etwa die Vorläufigkeit hinsichtlich der Höhe der Einkünfte (Verlust) bestimmt wird, erfasst sie nicht die Frage der Liebhaberei. Diese Frage ist vorrangig, da die Höhe der Einkünfte nur von Bedeutung ist, wenn entschieden ist, dass es sich um steuerpflichtige Einkünfte handelt. Umgekehrt kann aber, wenn die Frage der Gewinnerzielungsabsic...

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