Rz. 91

Der Stpfl. kann nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO jederzeit beantragen, die Steuerfestsetzung zu seinen Gunsten zu ändern. Er kann also neue Tatsachen, eine geänderte eigene Rechtsauffassung oder eine geänderte Rechtsprechung vorbringen. Auch kann er steuerliche Wahlrechte neu ausüben, sofern das materielle Recht dies gestattet (vgl. hierzu auch Rz. 80).

Weil § 164 Abs. 2 S. 2 AO keine weiteren Einschränkungen enthält, ist ein Änderungsantrag nach Ergehen einer den Vorbehalt aufrechterhaltenen Einspruchsentscheidung auch dann zulässig, wenn mit ihm lediglich die Überprüfung der von der Finanzbehörde der Einspruchsentscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung begehrt wird und keine neuen Tatsachen vorgetragen werden. Eine teleologische Reduktion der Änderungsvorschrift kommt in diesen Fällen ebenso wenig in Betracht wie bei einem Antrag auf schlichte Änderung i. S. d. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung.[1]

Hat die Finanzbehörde einen Änderungsantrag i. S. d. § 164 Abs. 2 S. 2 AO bestandskräftig abgelehnt, ist der Stpfl. nicht gehindert, einen erneuten Änderungsantrag zu stellen. Ein solcher Wiederholungsantrag ist zulässig, auch wenn das Änderungsbegehren des Stpfl. mit dem Begehren aus dem ersten Änderungsantrag identisch ist und kein neuer Tatsachenvortrag erfolgt. Die hiervon abweichende Rechtsauffassung[2] verkennt, dass der Ablehnungsentscheidung keine erhöhte Bestandskraft zukommt und der Regelung in § 164 Abs. 2 AO eine entsprechende Einschränkung der Änderungsmöglichkeit für den Stpfl. nicht zu entnehmen ist.

Nach dem Wortlaut des § 164 Abs. 2 S. 1 AO setzt die Änderung einen wirksamen Vorbehalt der Nachprüfung im Zeitpunkt der Änderung voraus. Hebt die Finanzbehörde aber zeitlich nach dem Änderungsantrag des Stpfl. den Vorbehalt der Nachprüfung auf, liegen die Voraussetzungen für eine Bescheidänderung nicht mehr vor. In der Konsequenz muss der Vorbehalt nicht nur im Zeitpunkt der Stellung des Änderungsantrags bestehen, sondern bis zur Bescheidänderung durch die Finanzbehörde fortbestehen.[3]

Zu den bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten bei Aufhebung des Vorbehalts trotz anhängigen Änderungsantrags vgl. Rz. 102.

 

Rz. 92

Die Finanzbehörde ist jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem neuen Vorbringen des Stpfl. sofort zu befassen.[4] Die Entscheidung hierüber kann vielmehr nach § 164 Abs. 2 Satz 3 AO bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls hinausgeschoben werden. I. d. R. handelt die Finanzbehörde daher nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie über das neue Vorbringen nicht sofort entscheidet. Dies dürfte vor allem in den Fällen ermessensgerecht sein, in denen der Stpfl. seine Einwendungen bereits im Veranlagungs- oder Rechtsbehelfsverfahren hätte geltend machen können.[5] Lehnt die Finanzbehörde den Änderungsantrag ab mit dem Hinweis, dass das Vorbringen bei der endgültigen Entscheidung berücksichtigt werden wird, kann der Stpfl. hiergegen nicht sofort Einspruch einlegen bzw. Klage erheben, da das Aufschieben bis zu einer endgültigen Entscheidung dem Gesetz entspricht. Möglich ist nur der Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO, wenn über den Antrag auf Änderung des Steuerbescheids ohne Mitteilung eines sachlichen Grunds nicht binnen angemessener Frist entschieden worden ist. Die Gefahr, dass die Festsetzungsfrist abläuft und der Vorbehalt dadurch entfällt, besteht nicht, da § 171 Abs. 3 AO insoweit eine Ablaufhemmung enthält.[6]

 

Rz. 93

Legt der Stpfl. auf eine schnelle Entscheidung Wert, hat er die Möglichkeit, gegen die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung Einspruch einzulegen. Bei Anfechtung der Vorbehaltsfestsetzung hat er die Möglichkeit, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Beantragt er dagegen lediglich eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO, kommt nur eine Stundung infrage.

 

Rz. 94

In besonders gelagerten Einzelfällen kann es aber durchaus ermessensfehlerhaft sein, wenn die Finanzbehörde nicht unverzüglich über den Antrag entscheidet und ggf. den Änderungsbescheid erneut unter Vorbehalt der Nachprüfung erlässt. Steht etwa aufgrund des Vorbringens des Stpfl. fest, dass ihm eine Steuererstattung zusteht, und ist lediglich wegen einer weiteren Steuerminderung eine Nachprüfung erforderlich, oder ist unwahrscheinlich, dass die geplante Nachprüfung eine wesentliche Steuererhöhung zur Folge hat, wäre es ermessensfehlerhaft, über die sichere Steuerminderung nicht unverzüglich, wenn auch erneut unter Vorbehalt der Nachprüfung, zu entscheiden. Im Regelfall werden diese engen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen.

 

Rz. 95

Die Befugnis, einen Antrag i. S. d. § 164 Abs. 2 S. 2 AO zu stellen, hat jeder Stpfl. i. S. d. § 33 Abs. 1 AO. Bei Bescheiden über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 179 AO gilt nicht die Beschränkung auf den einspruchsbefugten Personenkreis des § 352 AO, weil es sich bei dem Antrag nicht um einen formellen Rechtsbehelf handelt.[7]

 

Rz. 96

Stellt der Stpfl. einen Antra...

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