Rz. 206

Da die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme ein Verwaltungsakt ist, der im Ermessen der Finanzbehörde steht, kann die Entscheidung nach § 120 Abs. 2 AO mit einer Nebenbestimmung versehen werden. In Betracht kommt insbesondere ein Widerrufsvorbehalt nach § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO oder ein Änderungsvorbehalt nach § 120 Abs. 2 Nr. 5 AO. Die Beifügung dieser Nebenbestimmungen kann notwendig werden, weil eine Billigkeitsmaßnahme nicht nach § 164 AO mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehen werden oder nach § 165 AO vorläufig ergehen kann. Die Billigkeitsmaßnahme steht auch dann nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO oder ist vorläufig nach § 165 AO, wenn die Steuerfestsetzung, mit der sie verbunden ist, ihrerseits unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht oder vorläufig ist. Durch Gesetz v. 18.7.2016[1] wurde daher in Abs. 3 eine besondere Regelung über Nebenbestimmungen zu der Billigkeitsmaßnahme eingefügt. Die Neuregelung gilt nach Art. 97 § 29 EGAO für nach dem 31.12.2016 getroffene Billigkeitsmaßnahmen, und zwar auch dann, wenn es sich um Besteuerungszeiträume handelt, die vor dem 1.1.2017 abgelaufen sind, oder um Besteuerungszeitpunkte, die vor dem 1.1.2017 liegen.

 

Rz. 207

Abs. 3 enthält eine besondere Regelung für Nebenbestimmungen, wenn ein Fall des Abs. 2 vorliegt, also die Billigkeitsentscheidung mit der Steuerfestsetzung verbunden wird. Diese Regelung des Abs. 3 gilt daher nicht für isolierte, d. h. unabhängig von einer Steuerfestsetzung vorgenommene Billigkeitsentscheidungen. Für mit der Steuerfestsetzung verbundene Billigkeitsentscheidungen gilt § 120 AO, d. h. sie können mit einem Widerrufsvorbehalt oder einem Änderungsvorbehalt versehen werden. Allerdings gilt dies nicht automatisch. Vielmehr muss der Billigkeitsentscheidung die Nebenbestimmung in diesen Fällen ausdrücklich beigefügt werden. Ist das nicht der Fall, gilt die Billigkeitsmaßnahme vorbehaltlos und kann nur nach §§ 130, 131 AO zurückgenommen oder widerrufen werden.

 

Rz. 207a

Ist die Billigkeitsmaßnahme mit der Steuerfestsetzung verbunden, steht sie nach § 163 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AO stets unter dem Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Finanzbehörde die Billigkeitsmaßnahme nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen hat. Diese Formulierung ist in gewissem Sinne nicht eindeutig. Eine Billigkeitsmaßnahme ist immer "eigenständig", wird also immer als eigenständige Billigkeitsmaßnahme ausgesprochen. Verfahrensrechtlich ist die Billigkeitsmaßnahme nicht "eigenständig", wenn sie nach Abs. 2 mit der Steuerfestsetzung verbunden wird. Allerdings kann das Wort "eigenständig" in Abs. 3 Nr. 1 nicht bedeuten, dass die Billigkeitsmaßnahme in einem eigenständigen, d. h. gesonderten Verwaltungsakt getroffen worden ist; Abs. 3 Nr. 1 ist nach dem Einleitungssatz des Abs. 3 nur in den Fällen des Abs. 2, also bei Verbindung von Billigkeitsmaßnahme und Steuerfestsetzung, anwendbar. Die Vorschrift kann also nur so verstanden werden, dass Abs. 3 Nr. 1 anzuwenden ist, wenn das FA die Maßnahme in dem Steuerbescheid nicht ausdrücklich als Billigkeitsmaßnahme bezeichnet hat. Ob die Billigkeitsmaßnahme ausdrücklich als solche bezeichnet ist, ergibt sich aus der Gesamtheit des Steuerbescheids. Diese Bezeichnung kann also auch in den Erläuterungen erfolgen. Dabei braucht das Wort "eigenständig" nicht in dem Steuerbescheid zu erscheinen, da es Billigkeitsmaßnahmen, die nicht eigenständig sind, nicht gibt.[2] Maßgeblich ist nur, dass sich aus dem Steuerbescheid eindeutig ergibt, dass die Finanzbehörde eine eigenständige Billigkeitsentscheidung erlassen wollte und dies auch getan hat. Ist das nicht der Fall, gilt der Widerrufsvorbehalt, ohne dass er in der Billigkeitsmaßnahme oder in der Steuerfestsetzung, mit der die Billigkeitsmaßnahme verbunden ist, ausdrücklich als solcher bezeichnet ist. Der Widerrufsvorbehalt gilt auch kraft Gesetzes, d. h. ist nicht von einer Ermessensentscheidung des FA abhängig. Betroffen ist der Fall, dass die Finanzbehörde in dem Steuerbescheid eine abweichende Steuerfestsetzung vorgenommen hat, ohne dass dies ohne Weiteres erkennbar ist. Betroffen sind also die Fälle, in denen die Billigkeitsmaßnahme konkludent getroffen worden ist, ohne dass sie als solche erkennbar gemacht wird. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass die Finanzbehörde keine Billigkeitsentscheidung treffen wollte, die Auslegung des Steuerbescheids aber aus der Sicht des Stpfl. eine solche Billigkeitsentscheidung enthält. In solchen Fällen ist die Gefahr, dass die Billigkeitsentscheidung rechtswidrig war oder dass die Finanzbehörde ihr Ermessen nicht oder nicht ausreichend ausgeübt hat, besonders groß. Das Gesetz stellt die Billigkeitsentscheidung daher generell und ohne Ausnahme in diesen Fällen unter den Widerrufsvorbehalt, sodass die Möglichkeit besteht, die Entscheidung zu überprüfen und ggf. zurückzunehmen oder zu ändern.

 

Rz. 207b

In diesen Fällen wird der Widerrufsvorbehalt nach Abs. 3 S. 2 unwirksam, wenn die Festsetz...

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