Rz. 71

Bei der USt kann sowohl die USt als auch der Vorsteuerabzug Billigkeitsmaßnahmen unterliegen. Ist ein Ausschluss des Vorsteuerabzugs sachlich oder persönlich unbillig, ist er zu gewähren.[1] Die Gewährung des Vorsteuerabzugs im Billigkeitswege bei einer Rechnung, die nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, z. B. einen falschen Lieferanten oder eine falsche Steuernummer ausweist, setzt jedoch voraus, dass der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnten, um sich von der Richtigkeit der Rechnungsangaben zu überzeugen und sicherzustellen, dass er nicht in eine Betrugskette eingeschaltet war.[2] Im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Billigkeitsmaßnahme sind alle relevanten Sachverhaltsmerkmale bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob der Stpfl. die von ihm zu fordernde Sorgfalt angewandt hat. Für die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme braucht die Finanzbehörde andererseits keine Umstände nachzuweisen, aus denen sich ergibt, dass der Vorsteuerabzug betrügerisch oder missbräuchlich geltend gemacht wird.[3] Besonders sorgfältig muss diese Prüfung sein, wenn es sich um Barkäufe und -verkäufe hochwertiger Kfz handelt. Es ist auch nicht unbillig, sondern beruht auf der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, dass ein Vorsteuerabzug erst bei Vorliegen der Rechnung mit Vorsteuerausweis möglich ist. Dies ist auch dann nicht unbillig, wenn der Stpfl. den Rechnungsbetrag bereits vorher, z. B. durch Verrechnung mit Gegenansprüchen, beglichen hat.[4] Auch Liquiditätsnachteile aufgrund von Zinsen wegen der verspäteten Geltendmachung der Vorsteuerbeträge führt nicht zur sachlichen Unbilligkeit.

 

Rz. 72

Es ist auch keine sachliche Unbilligkeit, wenn die USt bei teilweiser Uneinbringlichkeit der Forderung nach der gem. § 17 Abs. 2 UStG berichtigten Bemessungsgrundlage erhoben wird.[5]

 

Rz. 73

Bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist es nicht sachlich unbillig, wenn die USt gegen den Organträger festgesetzt und erhoben wird, soweit sie auf von der Organgesellschaft verwirklichten Besteuerungsgrundlagen beruht und der Organträger von dieser wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Mittel zur Entrichtung der Steuer erhalten kann.[6] Der Organträger ist in diesem Fall Insolvenzgläubiger der Organgesellschaft, da er einen zivilrechtlichen Anspruch auf Ausgleich der gezahlten USt hat. Fällt er im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft mit diesem Anspruch aus, trägt er das Risiko, das jeder Insolvenzgläubiger zu tragen hat. Wenn das Gesetz für diesen Fall keine Regelung vorsieht, handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, dieses typische Risiko bei dem Gläubiger zu belassen. Dies kann nicht durch eine Maßnahme aufgrund sachlicher Billigkeit korrigiert werden.

 

Rz. 74

Für die Festsetzung der USt gegen den Aussteller eines unberechtigten Steuerausweises in einer Rechnung[7] enthält § 14c Abs. 2 S. 3ff UStG eine besondere Regelung. Eine Rechnungsberichtigung ist danach möglich, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Das ist der Fall, wenn ein Vorsteuerabzug bei dem Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Vor dem Inkrafttreten dieser Regelung hatte die Rechtsprechung entschieden, dass die Steuer unter vergleichbaren Voraussetzungen in diesen Fällen aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit zu erlassen war.[8]

Dagegen besteht kein Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme, wenn der Tatbestand der Rechnungsberichtigung bei einem unrichtigen Steuerausweis i. S. d. § 14c Abs. 1 UStG nicht vorliegt, die Rechnung also nicht berichtigt werden kann, weil sie nicht unvollständig oder falsch ist. Ist der Vorsteuerabzug aus anderen Gründen unterblieben, kann der Vorsteuerabzug nicht rückwirkend durch eine Rechnungsberichtigung im Billigkeitswege gewährt werden.[9]

 

Rz. 75

Die Rückforderung von Vorsteuern ist generell einer Billigkeitsmaßnahme nicht zugänglich, da dies im Ergebnis bedeuten würde, dass Vorsteuerabzug im Billigkeitsweg gewährt worden ist, obwohl die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen; das ist unzulässig.[10] Ist dem Stpfl. Vorsteuer nicht in Rechnung gestellt worden, obwohl dies hätte geschehen können und müssen, darf grundsätzlich kein Vorsteuerabzug im Billigkeitsweg gewährt werden. Der Vorsteuerausweis in der Rechnung ist materielle Voraussetzung, nicht nur Nachweis, sodass eine Billigkeitsmaßnahme zur Gewährung einer nicht vorgesehenen Subvention führen würde. Das gilt auch dann, wenn der Leistende die USt tatsächlich abgeführt hat.[11]

 

Rz. 76

Eine Billigkeitsmaßnahme ist jedoch möglich, wenn Ausfuhrnachweise und Warenbegleitscheine ohne Verschulden des Stpfl. verloren gegangen sind (z. B. durch eine Naturkatastrophe). Die Billigkeitsmaßnahme kann abgelehnt werden, wenn sich der Stpfl. nicht rechtzeitig um die Nachweise bzw. Ersatznachweise gekümmert hat.[12]

 

Rz. 76a

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