Rz. 102

§ 162 Abs. 4 AO enthält besondere Sanktionen für die Verletzung der Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO, die neben die Rechtsfolgen nach Abs. 3 treten.[1] Diese Sanktionen haben z. T. Straf-, z. T. Erzwingungscharakter; zusätzlich soll auch ein Vorteil des Stpfl. abgeschöpft werden. Es handelt sich bei den Zuschlägen nicht um "Strafen" i. S. d. StGB und der StPO; sie sollen aber auch die Nichterfüllung der Dokumentationspflichten ahnden, haben also auch Ahndungscharakter und gehören damit zu den "Strafen" in einem weiten Sinne. Dies führt dazu, dass nach Art. 6 ERMK die Europäische Menschenrechtskonvention auf sie anwendbar ist.[2]

 

Rz. 103

Die Vorschrift enthält in S. 1 und 2 einen Zuschlag, der z. T. in einem absoluten Betrag, z. T. in einem Prozentsatz zu den nach Abs. 3 hinzugeschätzten Beträgen besteht. S. 3 enthält einen Tatbestand als Sanktion für die verspätete Vorlage der Dokumentation. S. 4 bis 6 enthalten Richtlinien für die Ausübung des Ermessens für die Zuschläge, und zwar für beide Tatbestände. Diese Zusammenfassung der Ermessensrichtlinien für beide Tatbestände ist eine systematische Schwäche der Vorschrift, da die Tatbestände nach S. 1, 2 einerseits und nach S. 3 andererseits unterschiedliche Zwecke verfolgen. Bei der Anwendung des jeweiligen Tatbestands sind daher unterschiedliche Ermessenserwägungen anzustellen.

 

Rz. 104

Der Zuschlag nach Abs. 4 S. 1, 2 hat den Zweck, den Stpfl. zur Erstellung und Vorlage einer verwertbaren Dokumentation zu zwingen. Er hat Erzwingungscharakter und ähnelt dem Verspätungszuschlag nach § 152 AO. Er hat im Wesentlichen generalpräventive Wirkung. Indem S. 2 die Höhe des Zuschlags auch an die Höhe der hinzugeschätzten Einkünfte knüpft, wird der auf den Stpfl. ausgeübte Druck auch von der Höhe der nicht erklärten Einkünfte abhängig gemacht. Die Höhe des Zuschlags steht daher in einem Verhältnis zum Vorteil, den der Stpfl. aus der Nichterklärung der Einkünfte ziehen wollte. Der Zuschlag nach S. 3 hat ebenfalls Erzwingungscharakter; es soll die rechtzeitige Vorlage der Dokumentation erzwungen werden. Die Höhe des Zuschlags ist von der Dauer der Fristüberschreitung abhängig.

 

Rz. 105

Dagegen ist es nicht Zweck der beiden Zuschläge, einen etwaigen Vorteil des Stpfl. abzuschöpfen.[3] Dies geschieht bereits durch die Schätzung nach Abs. 3 und die Verzinsung nach § 233a AO. Bei dem Zuschlag wegen der verspäteten Vorlage der Dokumentation ist angesichts der Verzinsungsregelung des § 233a AO überhaupt nicht erkennbar, worin ein etwaiger Vorteil liegen soll, der abgeschöpft werden könnte. Soweit die Vorschrift die Höhe der Zuschläge vom Vorteil des Stpfl. abhängig macht, dient das dazu, die Höhe des Drucks nach der Höhe des Vorteils zu dosieren, da zu erwarten ist, dass der Widerstand des Stpfl. umso größer ist, je höher der von ihm erwartete Vorteil ist. Die Berücksichtigung der Höhe des Vorteils dient also nicht dessen Abschöpfung, sondern der Herstellung eines angemessenen Drucks auf den Stpfl.

 

Rz. 106

Der Zuschlag trifft denjenigen Stpfl., der die Pflicht nach § 90 Abs. 3 AO zu erfüllen hatte, diese Pflicht aber verletzt hat. Bei Einzelgewerbetreibenden und Körperschaften steht die Person dieses Verpflichteten eindeutig fest; anders ist es aber bei Personengesellschaften. Die Verpflichtung zur Dokumentation knüpft an das Unterhalten der Geschäftsbeziehungen, also an die Tätigkeit der Personengesellschaft, an. Daher trifft die Pflicht zur Dokumentation die Personengesellschaft, nicht die Gesellschafter. Entsprechend entstehen die Zuschläge auf der Ebene der Personengesellschaft. Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, ob die Zuschläge den Gesellschaftern zuzurechnen sind, oder ob es sich um Aufwendungen handelt, die auf der Ebene der Personengesellschaft zu leisten sind. Nach der hier vertretenen Auffassung[4] sind die Zuschläge Betriebsausgaben. Es handelt sich nicht um Sonderbetriebsausgaben, da die Verletzung der Pflicht durch die Personengesellschaft, nicht durch die Gesellschafter erfolgt ist. Das bedeutet, dass die Zuschläge auf der Ebene der Personengesellschaft als Betriebsausgaben zu behandeln sind. Dies korrespondiert mit der Auffassung, dass die Zuschläge keiner bestimmten Steuer zugeordnet sind; jedenfalls ist aus dem Gesetz eine solche Zuordnung nicht erkennbar.[5] Damit verbietet es sich auch, die Zuschläge als Nebenleistung zur ESt zu behandeln. Die Zuschläge sind daher bei den auf die Gesellschafter zu verteilenden Gesamthandsgewinne zu berücksichtigen.

 

Rz. 107

Nach Abs. 4 S. 1 ist ein Zuschlag von mindestens 5.000 EUR festzusetzen, wenn der Stpfl. die Dokumentation nach § 90 Abs. 3 AO nicht vorlegt oder die Dokumentation im Wesentlichen unverwertbar ist. Zur Nichtvorlage der Dokumentation vgl. Rz. 70, zur Unverwertbarkeit im Wesentlichen vgl. Rz. 72. Die Vorschrift ist hinsichtlich des Grundes des Zuschlags zwingend, d. h., der Zuschlag "ist" aufzuerlegen. Ein Ermessensspielraum der Verwaltung besteht insoweit nicht. Die Höhe des Zuschlags s...

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