Rz. 45

Bemessungsgrundlage für die VZ-Festsetzung ist die im Bescheid festgesetzte Steuer.[1] Erfolgt eine Steuerfestsetzung auf 0 EUR, so schließt dies nach dem Wortlaut des § 152 Abs. 3 Nr. 2 AO eine Festsetzung eines VZ regelmäßig aus[2], da durch die prozentuale Höchstgrenze sich rechnerisch stets ein VZ von ebenfalls 0 EUR ergibt.[3] Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 152 AO, der den Gang des Besteuerungsverfahrens, d. h. einschließlich des Erhebungsverfahrens, sichern soll und finanzielle Vorteile, die im Bereich der Ermessensausübung zu berücksichtigen wären, nicht eingetreten sind.

 

Rz. 46

Durch die Anknüpfung des § 152 Abs. 3 AO an die festgesetzte Steuer haben Vorgänge aus dem Bereich der Steuererhebung also die kassentechnische Abrechnung der Steuer[4], für die grundsätzliche Zulässigkeit der VZ-Festsetzung außer Betracht zu bleiben.

 

Rz. 47

Demgemäß ist nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Rechtssystematik des Besteuerungsverfahrens die Festsetzung eines VZ rechtlich auch dann zulässig, wenn aufgrund der Anrechnung geleisteter Vorauszahlungen oder einbehaltener Steuerabzugsbeträge auf die festgesetzte Steuer eine Abschlusszahlung nicht geleistet werden muss oder sich eine Steuererstattung ergibt.[5]

 

Rz. 48

Führt die Abrechnung dazu, dass keine Zahllast besteht oder gar eine Steuererstattung erfolgt, so ist die Festsetzung eines VZ unzulässig. Da die Einbehaltung der Abzugsteuer im Ergebnis Festsetzungscharakter hat, wie auch die Festsetzung von Vorauszahlungen[6], sind das Steuerfestsetzungsverfahren und das Steuererhebungsverfahren für den betroffenen Besteuerungszeitraum bereits insoweit unbeeinträchtigt abgeschlossen. Die bloße Behinderung der endgültigen Abrechnung rechtfertigt das besondere Druckmittel des VZ nicht, zumal hier die anzurechnende Zinspflicht nach § 233a besteht. Ein qualitativer Unterschied zwischen einer Steuerfestsetzung auf 0 EUR (s. Rz. 45) und einer solchen, die nach Abrechnung keine Zahllast zur Folge hat, besteht nicht.[7]

 

Rz. 49

Konnte der Erklärungspflichtige von der Steuererstattung ausgehen, so erscheint die Verspätung wegen der ausschließlichen Schädigung der eigenen wirtschaftlichen Interessen regelmäßig entschuldbar.[8] Zumindest ist in diesen Fällen aber regelmäßig die VZ-Festsetzung ermessensfehlerhaft.[9] Anderenfalls würde die verwaltungsrechtliche Ahndung des Fehlverhaltens im Besteuerungsverfahren regelmäßig die strafrechtliche Sanktion für die gleichzeitig bewirkte Steuerverkürzung[10] übersteigen. Im Rahmen der Strafzumessung sind die festgesetzten Vorauszahlungen bzw. einbehaltenen Steuerabzugsbeträge voll anzurechnen, da insoweit das Fehlverhalten ohne Folgewirkung geblieben ist.[11] Dies gilt in gleicher Weise für § 152 AO, zumal hier ausdrücklich die Höhe des Zahlungsanspruchs als Ermessenskriterium genannt ist. Auch erwachsen dem Stpfl. aus der Nichtabgabe bzw. der verspäteten Abgabe durch die verzögerte Rückzahlung nur wirtschaftliche Nachteile, sodass auch dieses Ermessenskriterium entfällt.

 

Rz. 50

Durch den Fortfall solcher wesentlicher Ermessenskriterien für das Erschließungsermessen kann die Festsetzung eines VZ, wenn eine Abschlusszahlung nicht zu leisten ist oder eine Steuererstattung erfolgt, nur in besonderen Ausnahmefällen ermessensgerecht sein.[12] Das Fehlverhalten muss eine besondere nachhaltige oder wiederholte Verfahrensbehinderung zur Folge gehabt haben, damit die übrigen Ermessenskriterien die VZ-Festsetzung rechtfertigen.

 

Rz. 51

Bei der USt ist als Bemessungsgrundlage für einen VZ zum Jahressteuerbescheid der Jahresbetrag der Steuer und nicht die Abschlusszahlung anzusehen.[13]

[1] Art und Betrag; s. § 157 Abs. 1 AO.
[3] Klein/Rätke, AO, 17. Aufl. 2023, § 152 Rz. 51.
[4] Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Erl. zu § 218 AO.
[5] H. M.; vgl. z. B. Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 152 AO Rz. 23; Mösbauer, BB 1982, 1294, 1298; FG Baden-Württemberg v. 26.8.1987, II K 153/84, EFG 1988, 58; BFH v. 10.8.2000, IV B 130/99, BFH/NV 2001, 146 m. w. N.; BFH v. 26.6.2002, IV R 63/00, BStBl II 2002, 679.
[7] Klein/Rätke, AO, 17. Aufl. 2023, § 152 Rz. 14; hiergegen ausdrücklich BFH v. 26.6.2002, IV R 63/00, BStBl II 2002, 679.
[8] Niedersächsisches FG v. 2.2.1984, XI 412/83, EFG 1984, 429; a. A. FG Münster v. 4.3.1987, IV 6148/85 E, U, EFG 1987, 486; auch Bauer, DStR 1989, 413.
[9] FG München v. 11.5.1966, III 157/66, EFG 1966, 593; FG Baden-Württemberg v. 26.8.1987, II K 153/84, EFG 1988, 58; jedenfalls ist die Erstattung bei der Ermessensausübung notwendig zu berücksichtigen; vgl. FG Mecklenburg-Vorpommern v. 27.2.2001, 2 K 509/99, EFG 2001, 670.
[12] FG Baden-Württemberg v. 26.8.1987, II K 153/84, EFG 1988, 58; BFH v. 19.11.2013, XI B 50/13, BFH/NV 2014,295.

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