Rz. 8

Die Kassen-Nachschau darf außerhalb einer Außenprüfung und ohne eine vorherige Ankündigung erfolgen.[1] Allerdings darf sie nur bei Geschäftsgrundstücken und Geschäftsräumen des Stpfl. erfolgen und auch nur während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten.[2] Welches die üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten sind, wird man dabei nach der jeweiligen Branche zu bemessen haben.[3] Dieses wird man dahingehend auszulegen haben, dass die Kassen-Nachschau nur während der werktäglichen Geschäfts- und Arbeitszeiten erfolgen darf.[4] Die weitergehende Auffassung der Finanzverwaltung, die die Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau immer dann für zulässig erachtet, wenn im Unternehmen schon oder noch gearbeitet wird[5], ist als nicht vom Wortlaut gedeckt abzulehnen.[6]

 

Rz. 9

Zu Wohnräumen bestimmt § 146 Abs. 1 S. 3 AO, dass diese grundsätzlich gegen den Willen des betroffenen Stpfl. nicht betreten werden dürfen, es sei denn, es droht eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.[7] Insoweit wird das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG eingeschränkt. Dabei ist zunächst nicht zu verkennen, dass es im Einzelfall durchaus fraglich sein kann, ob ein Raum als Geschäftsraum oder als Wohnraum anzusehen ist, insbesondere bei gemischt genutzten Räumen. Hier dürfte es auf die primäre Widmung ankommen.[8] In Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz von Wohnraum nach Art. 13 GG ist die Nachschau in Wohnräumen an engere Voraussetzungen geknüpft.[9] Erforderlich wird sein, dass im Einzelfall konkrete Hinweise dafür vorliegen, dass durch das Betreten der Wohnräume Tatsachen ermittelt werden können, die der Zielrichtung der Nachschau entsprechen. Zudem dürfte die Gefahr erforderlich sein, dass diese Tatsachen später nicht mehr ermittelt werden können. Aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird zudem regelmäßig erforderlich sein, dass eine nicht unwesentliche Festsetzung einer Mehrsteuer wahrscheinlich ist. Alles in allem dürften diese Voraussetzungen bei einer Kassen-Nachschau nur in Ausnahmefällen gegeben sein.[10]

[1] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146b AO Rz. 13.
[2] AEAO zu § 146b AO Nr. 3 Satz 1.
[3] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 146b Rz. 6.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146b AO Rz. 19; a. A. Bieschick, Die Kassen-Nachschau, DB 2018, 2390, 2394.
[5] BMF v. 23.12.2002, IV B 2 – S 74/20 – 415/02, BStBl I 2002, 1447, Tz. 4 Abs. 3.
[6] A. A. AEAO zu § 146 AO Nr. 3 Satz 6.
[7] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146b AO Rz. 22.
[8] Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 210 AO Rz. 13; Wöhner, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 210 AO Rz. 13, beide unter Verweis auf BVerfG v. 13.10.1971, 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54.
[9] BVerfG v. 13.10.1971, BvR 280/66, BVerfGE 32, 54; s. a. Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 210 AO Rz. 12.
[10] So auch Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146b AO Rz. 22; Märtens, in Gosch, AO/FGO, § 146b AO Rz. 25.

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