Leitsatz

1. Ob Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen, bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel.

2. Es wird unwiderlegbar vermutet, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, muss der Steuerpflichtige den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter nachweisen.

3. Die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens durch Belastung des Kontokorrentkontos reicht aus, um die dadurch veranlassten Schuldzinsen von der Überentnahmeregelung auszunehmen (entgegen Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 17.11.2005, BStBl I 2005, 1019).

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG

 

Sachverhalt

Eine KG hatte Darlehen aus einem KfW-Mittelstandsprogramm für die Beschaffung von Anlagegütern aufgenommen, die u.a. mit Arbeitsplatzauflagen verbunden waren. Die Darlehen wurden auf das betriebliche Kontokorrentkonto ausgezahlt, über das alle Überweisungen für die Anschaffungen liefen. Wegen Überentnahmen waren nicht alle Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG abziehbar.

Das FA war nach einer Außenprüfung der Auffassung, dass auch die Zinsen für die KfW-Darlehen unter die Abzugsbeschränkung fielen, weil die Darlehen nicht unmittelbar oder zumindest innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Darlehensauszahlung für die Beschaffung von Anlagegütern verwendet worden seien. Es erging ein entsprechend geänderter Gewinnfeststellungsbescheid.

Gegen diesen wendete sich die KG mit der Begründung, dass die Investitionen in Anlagegüter den Kreditbeträgen der KfW betragsmäßig entsprochen hätten. Einspruch und Klage blieben aber zunächst erfolglos (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.4.2008, 3 K 2153/05, Haufe-Index 1995008, EFG 2008, 1270).

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision der KG statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Darlehen seien auch dann begünstigt, wenn sie über ein anderes Konto zur Finanzierung von Anlagegütern verwendet würden. Bei innerhalb eines 30-Tage-Zeitraums vor und nach Darlehensauszahlung erfolgten Zahlungen von Anschaffungs- und Herstellungskosten werde der erforderliche Finanzierungszusammenhang unterstellt. Für außerhalb dieses Zeitraums liegende Zahlungen könne der Unternehmer den Finanzierungszusammenhang im Einzelfall nachweisen. Außerdem seien auch die für das Kontokorrentkonto angefallenen Schuldzinsen begünstigt, soweit sie auf die Finanzierung von Anlagegütern entfielen. Die anteiligen Zinsen seien nach derselben Methode zu ermitteln, nach der die Zinsen für ein gemischtes Kontokorrentkonto in einen privaten und einen betrieblichen Teil zerlegt würden.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung beantwortet erstmals höchstrichterlich zwei im Zusammenhang mit dem beschränkten Schuldzinsenabzug bei Überentnahme nach § 4 Abs. 4a EStG auftretende Fragen, nämlich einerseits, wann ein Darlehen zur Finanzierung von Anlagegütern gedient hat und die Zinsen deshalb von der Hinzurechnung ausgespart bleiben (nachfolgend unter 2.), und andererseits, ob auch Kontokorrentzinsen als durch begünstigte Anschaffungen verursacht angesehen werden können (nachfolgend unter 3.). Die Antworten des BFH bewirken teilweise eine Vereinfachung (durch unwiderlegliche Vermutung des Finanzierungszusammenhangs), teilweise aber auch eine weitere Komplizierung (durch Ausweitung der Zinszahlenstaffelrechnung) der ohnehin schon nicht einfach zu handhabenden Hinzurechnung von Schuldzinsen bei Überentnahme. Die Praxis wird oftmals zu Schätzungen greifen, so dass § 4 Abs. 4a EStG ein ständiger Streitpunkt bei Betriebsprüfungen sein wird.

2. a) Hat ein Unternehmer Entnahmen getätigt, die über die Einlagen und bisherige Gewinne hinausgehen, wird der Differenzbetrag nur über Kredit finanziert worden sein können. Deshalb geht § 4 Abs. 4a EStG typisierend davon aus, dass Zinsen auf Kredite in Höhe des Überentnahmebetrags nicht betrieblich, sondern durch die Entnahme und damit privat veranlasst sind. Diese Zinsen werden dem Gewinn dann außerhalb der Gewinnermittlung hinzugerechnet. Dazu werden grundsätzlich alle Zinsen "in einen Topf" geworfen.

b) Eine Ausnahme davon gilt nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Schuldzinsen, die zur Finanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten für betriebliches Anlagevermögen entstanden sind. Diese Zinsen werden nicht in die Berechnung für die Hinzurechnung einbezogen. Voraussetzung ist die Verwendung des betreffenden Kredits für eine begünstigte Investition.

Die Mittelverwendung ist leicht zu erkennen, wenn die Investition unmittelbar aus dem Kredit bezahlt worden ist. Nicht selten werden Kreditmittel ab...

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