Leitsatz

Die hälftige Hinzurechnung der Zinsen aus Darlehen der in den Niederlanden ansässigen Muttergesellschaft zum Gewinn einer Kapitalgesellschaft gem. § 8 Nr. 1 GewStG verstößt weder gegen die RL 2003/49/EG des Rats vom 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABlEU 2003, Nr. L 157, 49) – Anschluss an das EuGH-Urteil vom 21.7.2011, C–397/09Scheuten Solar Technology (IStR 2011, 590) – noch gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit und auch nicht gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 24 DBA-Niederlande.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Satz 2, § 8 Nr. 1 GewStG, § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3, § 17, § 18 KStG, Art. 1 Abs. 1 EU-Zins- und Lizenzrichtlinie, Art. 43, Art. 48 EG, Art. 49, Art. 54 AEUV, Art. 24 Abs. 1, Abs. 2 DBA-Niederlande

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleinige Anteilseignerin eine niederländische B.V. ist. Letztere gewährte der GmbH Darlehen über insgesamt 5.180.000 EUR zu einem Zinssatz von 5 %. Die Rückzahlung sollte auf Abruf der B.V. erfolgen. Die GmbH zahlte im Streitjahr 2004 dafür Zinsen, welche das FA gem. § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zur Hälfte dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzurechnete.

Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab (FG Münster, Urteil vom 22.2.2008, 9 K 5143/06 G, Haufe-Index 1979342, EFG 2008, 968).

 

Entscheidung

Nachdem der EuGH in seinem Urteil vom 21.7.2011, C-397/09Scheuten Solar Technology (IStR 2011, 590) in der Hinzurechnung von Zinsen gem. § 8 Nr. 1 GewStR a.F. keinen Verstoß gegen die Zins-/Lizenz-RL erkannt hatte, ging es für den BFH "an sich" nur noch darum, den Spruch des EuGH zu "vollziehen". Zugleich hat er aber klargestellt, dass unabhängig davon auch kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gegeben sei, ebenso wenig wie ein Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote des DBA-Niederlande.

 

Hinweis

1. Es handelt sich um das Schlussurteil des BFH in Sachen Scheuten Solar Technology. Dazu hatte der EuGH (EuGH, Urteil vom 21.7.2011, C-397/09) auf Vorabentscheidungsersuchen des BFH (BFH, Beschluss vom 27.5.2009, I R 30/08, BFH/NV 2009, 2059, BFH/PR 2010, 11) wie folgt entschieden:

Art. 1 Abs. 1 der Zins-/Lizenz-RL ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Steuerrechts nicht entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die GewSt hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt. Auf dieses Urteil ist zu verweisen, und viel mehr hat denn auch der BFH in diesem Punkt nicht getan (und nach dem Urteil tun können).

Konkret steht damit fest, dass die (hälftige) Hinzurechnung sog. Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. auch im grenzüberschreitenden Bereich unionsrechtmäßig ist.

2. Nun war aber bereits seinerzeit – bei Bekanntwerden des besagten Vorabentscheidungsersuchens – bedauert und bemängelt worden, dass der BFH seine Vorlagefragen an den EuGH nicht um einen weiteren Punkt erweitert hatte. Dieser Punkt betraf die innerstaatlich eröffnete Möglichkeit, ein Organschaftsverhältnis zu begründen.

Im Hinblick darauf wurde und wird geltend gemacht, eine "verdächtige" Ungleichbehandlung – und damit ein Verstoß gegen unionsrechtliches "Primärrecht" in Gestalt der Niederlassungsfreiheit – folge schon daraus, dass sich die Hinzurechnung im Inlandsfall mittels Organschaft vermeiden lasse. Dass diese Vermeidung gelingt, ergibt sich aus der einschlägigen Spruchpraxis des BFH und – darauf aufbauend – aus Abschn. 41 Abs. 1 Sätze 5 und 6 GewStR 1998 bzw. – jetzt – R 7.1 Abs. 5 GewStR 2009.

3. Der BFH dekuvriert dieses Manko aber als ein scheinbares:

  • Die Organschaft muss "faktisch gelebt" werden, soll sie grenzüberschreitend anerkannt werden. Daran fehlt es, wenn nicht einmal der Versuch unternommen worden ist, einen grenzüberschreitenden Ergebnisabführungsvertrag zu schließen.
  • Ein Verstoß gegen den sog. Effektivitätsgrundsatz oder das sog. Frustrationsverbot scheidet aus. Zwar hat der EuGH wiederholt bekundet, es sei unionsrechtswidrig zu verlangen, dass vor den nationalen Gerichten ein Rechtsstreit um etwas geführt wird, das von vornherein aussichtslos ist. Doch schließt das nicht aus, dass alles versucht wird, um den innerstaatlichen Anforderungen zu genügen. Und aus deutscher Sicht ist es durchaus möglich, einen grenzüberschreitenden Ergebnisabführungsvertrag mit einer inländischen Organgesellschaft zu schließen. Sollte das ausländische Gesellschaftsrecht das nicht ermöglichen, muss Deutschland das nicht unbedingt "stören".
  • Zumindest aber wird zu verlangen sein, dass – zum einen – die Muttergesellschaft beständig laufende Verluste der Tochter durch Eigenkapitalzufuhr ausgleicht und die Tochter ihre Gewinne ununterbrochen an die Mutter abführt. Zum anderen muss die – seinerzeitige – Absicht, ein Organschaftsverhältnis begründen zu wollen, gegenüber den Finanz...

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