Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung eines Einkommensteuerbescheides an einen für nichtig erklärten Grundlagenbescheid; Feststellung der Nichtigkeit im Verwaltungsakt

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein für ihn bindender Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) erlassen, aufgehoben oder geändert wird.

Aufgrund der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids für den Folgebescheid ist das für den Erlass des Folgebescheids zuständige Finanzamt verpflichtet, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Ein solches Verhältnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheid besteht insbesondere in den Fällen, in denen die Besteuerungsgrundlagen -abweichend von § 157 Abs. 2 AO- durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt werden (§§ 179 ff. AO). Insoweit ist das Finanzamt, das die Steuern festsetzt, an den Bescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gebunden; es hat demgemäß die Folgerungen aus dem Feststellungsbescheid zu ziehen und einen bereits vorhandenen Steuerbescheid dem Erlass, der Aufhebung oder der Änderung des Feststellungsbescheids anzupassen. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO begründet eine "absolute Anpassungsverpflichtung".

 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 125 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.08.2014; Aktenzeichen X R 15/10)

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Änderung des Einkommensteuer(ESt)-Bescheides 1994 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO).

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 1994 zusammen zur ESt veranlagt.

Der Kläger war ausweislich der am 19. Juni 1995 abgegebenen Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der X-gesellschaft mbH & Co. KG (KG) in A für 1994 im März 1993 als Kommanditist in die KG eingetreten und im November 1993 bzw. März 1994 aus der KG ausgetreten. Entsprechend den Angaben in der Feststellungserklärung betrug sein Anteil am laufenden Gewinn der Gesellschaft in diesem Zeitraum 0,00 DM. In einer Anlage zur Feststellungserklärung machte die KG nähere Angaben zum Zeitpunkt des Austritts und der Versteuerung des Veräußerungsgewinns des Klägers in Höhe von 3.028.408,00 DM im Jahr 1994. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO stehendem Feststellungsbescheid 1994 vom 26. März 1997 wurden der laufende Gewinn und der Veräußerungsgewinn erklärungsgemäß festgesetzt. In den Erläuterungen hierzu ist ausgeführt, dass eine Ausfertigung des Feststellungsbescheides auch dem Kläger bekannt gegeben wurde. Der Veräußerungsgewinn wurde vom Kläger in der ESt-Erklärung 1994 vom 19. Oktober 1995 erklärt und im ESt-Bescheid für das Streitjahr 1994 vom 19. April 1996 vom beklagten Finanzamt erfasst. Der letzte ESt-Bescheid 1994, der diesen Veräußerungsgewinn beinhaltete, datiert auf den 21. Juli 2000. Mit diesem Bescheid wurde die ESt auf 1.383.968,00 DM festgesetzt.

Das Vermögen der KG ging mit Vertrag vom 27. Juni 1994 im Wege der Anwachsung auf die Komplementär-GmbH (GmbH) über. Das Erlöschen der KG wurde am 28. Februar 1995 in das Handelsregister eingetragen.

Eine zwischen 1997 und 2001 durchgeführte Außenprüfung bei der GmbH, bei der auch die steuerlichen Verhältnisse der KG überprüft wurden, führte zu dem Ergebnis, dass der Veräußerungsgewinn aus der Übertragung des Kommanditanteils auf die GmbH im Jahr 1993 und die Verzinsung des Kaufpreises als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Jahr 1994 zu erfassen seien. Aufgrund dieser Feststellungen erging am 17. Januar 2002 ein Bescheid für die KG, mit dem der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1994 vom 26. März 1997 nach § 164 Abs. 2 AO aufgehoben wurde. Der Bescheid war an die GmbH als Rechtsnachfolgerin der KG mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten gerichtet. Bereits am 18. Dezember 2001 teilte das Feststellungs-Finanzamt (A) dem beklagten Finanzamt mit, dass der Feststellungsbescheid für 1994 vom 26. März 1997 nach § 164 Abs. 2 AO ersatzlos aufgehoben wurde und dem Kläger im Jahr 1994 Einnahmen aus Kapitalvermögen aus der Verzinsung des Kaufpreises der Beteiligung in Höhe von 61.795,00 DM zugeflossen sind. Aufgrund dieser Mitteilung änderte das Finanzamt mit Bescheid vom 6. Februar 2002 die ESt-Festsetzung für 1994 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Es ließ den bisher erfassten Veräußerungsgewinn aus der Beteiligung an der KG außer Ansatz und erhöhte die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 61.795,00 DM. In den Erläuterungen legte es dar, dass die Änderungen auf der Mitteilung des Feststellungs-Finanzamts vom 18. Dezember 2001 beruhen. Die ESt wurde nunmehr auf 321.236,00 EUR (= 628.283,00 DM) festgesetzt und dem Kläger ein Betrag in Höhe von 386.663,46 EUR erstattet. Ein gegen diesen Bescheid eingelegter Einspruch wurde wieder zurückgenommen.

Gegen den geänderten Feststellungsbescheid 1993 für die KG vom 20. Dezember 2001, in dem die Veräußerungsgewinne gemäß der Betriebsprüfung erfasst wurden, wurde vom Kläger mit Schreib...

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