Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrages bei fehlender Unterhaltsbedürftigkeit und keine Übertragung des Betreuungsfreibetrages nach Volljährigkeit des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei fehlender Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes und nach Volljährigkeit des Kindes scheidet eine Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrages aus.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 8

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.04.2020; Aktenzeichen III R 61/18)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Übertragung seiner hälftigen Kinderfreibeträge und seiner hälftigen Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) auf die Beigeladene.

Die Beigeladene wurde einzeln zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Mit der ESt-Erklärung für 2014 gab sie drei steuerlich zu berücksichtigende Kinder an:

Name

Geburtsdatum

Anspruch auf Kindergeld

Zeitraum Berufsausbildung

A

XX.XX.XXXX

2.208,00 €

01.01.-31.07.2014 Bundesfreiwilligendienst

01.08.-31.12.2014 Ausbildung

B

XX.XX.XXXX

2.208,00 €

01.01.-31.12.2014 Schule

C

XX.XX.XXXX

1.104,00 €

Die Beigeladene beantragte für A und B den vollen Kinderfreibetrag und den vollen BEA-Freibetrag, weil der andere Elternteil, der Kläger, seiner Unterhaltsverpflichtung nicht zu mindestens 75 % nachkomme oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sei. Sie legte für A eine Bescheinigung über die Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst vom 1. August 2013 bis zum 31. Juli 2014 vor. Eine Vergütung wurde darin nicht angegeben. Außerdem legte sie den Ausbildungsvertrag ab 1. August 2014 mit einer Vergütung in Höhe von 685,00 € brutto monatlich vor.

Mit Bescheid vom 24. Juli 2015 berücksichtigte das Finanzamt die Freibeträge für A und B wie folgt:

Name

Kinderfreibetrag

BEA-Freibetrag

Summe

zugerechnetes Kindergeld

A

2.184,00 €

1.320,00 €

3.504,00 €

1.104,00 €

B

2.184,00 €

1.320,00 €

3.504,00 €

1.104,00 €

C

2.184,00 €

2.640,00 €

4.824,00 €

1.104,00 €

Eine Übertragung der Kinderfreibeträge wurde nicht vorgenommen. Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Einspruch ein und beantragte die Übertragung der hälftigen Kinderfreibeträge für A und B auf sie. Sie sei im Wesentlichen der Unterhaltspflicht alleine nachgekommen. Die Kinder würden bei ihr leben und nahezu den gesamten Barunterhalt von ihr erhalten. Der Kläger habe für A keine Leistungen erbracht und für B ab März 2014 monatlich 130,00 € gezahlt. Er sei mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig. Auf das Schreiben des Klägers vom 3. September 2015 an die Beigeladene wird Bezug genommen. Danach zahlte er für B den hälftigen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 34,37 € monatlich, für Januar und Februar 2014 je 368,37 € und ab März monatlich 130,00 €. Für A hat er vom 1. Januar bis 31. Juli 2014 monatlich 50,00 € überwiesen. Nach Angabe der Beigeladenen gebe es keine Unterlagen wie gerichtliche Entscheidungen oder Vergleiche, aus denen sich die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers herleiten ließen. Die Höhe des "Taschengelds" für den Bundesfreiwilligendienst von A wurde nicht nachgewiesen.

Das Finanzamt hat den Kläger zum Verfahren gemäß § 360 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) hinzugezogen. Der Kläger widersprach der Übertragung der Kinderfreibeträge für A und B. Da er den Barunterhalt für C allein trage, wäre dieses bei der Berechnung des Barunterhalts für A und B zu berücksichtigen.

Laut Datenabgleich des Finanzamts beträgt das Gehalt von A für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2014 insgesamt brutto 1.925,00 € (keine Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) und für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2014 insgesamt brutto 3.710,42 € (Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung insgesamt 748,58 €).

Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2017 wurde dem Einspruch der Beigeladenen stattgegeben und die ESt 2014 entsprechend herabgesetzt. Nach § 32 Abs. 6 Satz 5 Einkommensteuergesetz (EStG) könne auf Antrag eines Elternteils der Kinderfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen werden, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind im Wesentlichen nachkomme (zu mindestens 75 %) oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sei. Maßgebend sei nicht der (abstrakte) Unterhaltsbedarf des Kindes, sondern die konkrete Höhe der Unterhaltsverpflichtung der Eltern, die sich in erster Linie aus gerichtlichen Entscheidungen, Verpflichtungserklärungen, Vergleichen oder anderweitig aus Verträgen ergebe. Da keine Unterhaltsvereinbarungen für das Streitjahr bestehen würden bzw. nicht vorgelegt worden seien, würden die Zahlen der Düsseldorfer Tabelle vom 1. Januar 2013 zu Grunde gelegt (R.32.13 der EStR). Dafür, dass der Hinzugezogene mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig gewesen sei, würden sich nach Aktenlage keine Anhaltspunkte ergeben. Für C berechne er selbst den Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle nach der 5. Stufe.

Ausgeh...

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