1 Systematische Einordnung

Doppelbesteuerungsprobleme bei grenzüberschreitenden Sachverhalten führen zu der Frage, ob Regelungen zu einem Schiedsverfahren durch Vereinbarungen zwischen den Staaten geschaffen werden können. Hierbei handelt es sich um ein Instrument, mit dessen Hilfe Streitigkeiten beigelegt werden können, um so dem Ziel des DBA – einer effektiven Vermeidung der Doppelbesteuerung – Rechnung zu tragen.

2 Inhalt

Entsprechende Vereinbarungen finden sich in 2 unterschiedlichen Bereichen: Einerseits wird in DBA in Anlehnung an Art. 25 Abs. 5 OECD-MA ein Schiedsverfahren vorgesehen ("Schiedsverfahren (DBA)"). Andererseits wurde in der EU eine sog. EU-Schiedskonvention[1] verabschiedet. Hierbei handelt es sich um ein Instrument, mit dessen Hilfe die Doppelbesteuerung infolge von Verrechnungspreiskorrekturen innerhalb der EU vermieden werden soll ("Schiedskonvention (EU)"). Diesen multilateralen völkerrechtlichen Vertrag haben alle Mitgliedstaaten der Union mit Ausnahme von Bulgarien und Rumänien ratifiziert.

[1] Schiedskonvention (90/436/EWG) v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10 mit Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. C 202/1 und Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 1 sowie Beschluss des Rates v. 23.6.2008, ABl. Nr. L 174, 1.

3 Praxisfragen

Besteht mit einem EU-Staat ein DBA, das eine entsprechende Schiedsklausel enthält, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem EU- und dem DBA-Schiedsverfahren. Die EU-Schiedskonvention bezieht sich inhaltlich nur auf Verrechnungspreiskorrekturen ("Verrechnungspreise") und die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätten ("Betriebsstätte (Gewinnzuordnung)"), während das Schiedsverfahren in Art. 25 Abs. 5 OECD-MA grundsätzlich alle Fragen betrifft, für die der sachliche Anwendungsbereich eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 Abs. 1 OECD-MA ("Verständigungsverfahren") eröffnet ist. Dies sind alle Fragen, die eine internationale Doppelbesteuerung betreffen. Nur insoweit, wie sich die Anwendungsbereiche überschneiden, kann es überhaupt ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Regelungen geben. Die h. M. geht deshalb – zutreffenderweise – von einem Nebeneinander beider Regelungen aus.[1] Diese Auffassung kann sich insbesondere auf Art. 15 der EU-Schiedskonvention berufen. Danach bleiben weitergehende Verpflichtungen unberührt. Deshalb ist von einem Wahlrecht des Stpfl. zwischen beiden Verfahren auszugehen. Dies nimmt offenbar auch das BMF an, indem es fordert, dass der Stpfl. in seinem Antrag angibt, ob er sich auf das DBA oder die EU-Schiedskonvention beruft.[2]

[1] Z. B. Lehner, in Vogel/Lehner, DBA, 2015, Art. 25 OECD-MA Rz. 301; Krabbe, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 6 EU-SchÜ, Rz. 6; Engler/Ebert, in Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 2015, Rz. F 301; Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 452f.; Peters/Haverkamp, BB 2011, 1305.

4 Beratungshinweise

Streitig ist, ob nach der Einleitung eines Verfahrens noch zum anderen Verfahren gewechselt werden kann.[1] Aus praktischer Sicht dürfte diese Diskussion allerdings kaum Bedeutung haben.

Sofern das DBA mit einem Mitgliedstaat der EU nur ein fakultatives Schiedsverfahren vorsieht, wie z. B. Art. 25 Abs. 5 DBA-Niederlande, sollte sich der Stpfl. immer auf die EU-Schiedskonvention berufen. Dies hat den Vorteil, dass ein Verfahren zwingend einzuleiten ist und damit eine Lösung des Doppelbesteuerungsproblems gewährleistet wird, auch wenn keineswegs sicher ist, dass dies die für den Stpfl. günstigste Lösung ist.

[1] Liebchen, in Mössner u. a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2020, Rz. 107 m. w. N.

Literaturtipps

Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 449

Liebchen, in Mössner u. a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2020, Rz. 12.105

Peters/Haverkamp, BB 2011, 1305

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