rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei unterlassenem Lohnsteuerabzug auf von der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft geleistete Zahlungen zur Abgeltung der Urlaubsansprüche keine örtliche Zuständigkeit des für den Arbeitgeber zuständigen Betriebsstätten-FA bezüglich des Erlasses eines Lohnsteuerhaftungsbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 42d Abs. 9 S. 8 EStG ist dahingehend auszulegen, dass das Betriebsstättenfinanzamt des Dritten für die Entscheidung über die Geltendmachung der Steuer- oder Haftungsschuld in den Fällen des § 38 Abs. 3a EStG gegenüber allen Haftenden zuständig ist.

2. Hat sich ein Arbeitgeber der Bauwirtschaft hinsichtlich der Urlaubsabgeltungsansprüche seiner Arbeitgeber am Urlaubskassenverfahren beteiligt und Umlagezahlungen an die zuständige Kasse geleistet, haben die Arbeitnehmer von dieser Kasse Entschädigungszahlungen erhalten, ohne dass darauf ein Lohnsteuerabzug vorgenommen worden wäre, und soll nunmehr die auf die Entschädigungszahlungen entfallende Lohnsteuer durch einen Haftungsbescheid nacherhoben werden, so ist nicht das für den Arbeitgeber örtlich zuständige, sondern das für die Kasse zuständige Betriebsstättenfinanzamt für den Erlass des Haftungsbescheids zuständig.

 

Normenkette

EStG § 42d Abs. 9 S. 8, § 38 Abs. 3a; AO §§ 125, 127

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.03.2014; Aktenzeichen VI R 43/13)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen

5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin vom Beklagten für Lohnsteuerschulden in Haftung genommen werden kann.

Die Klägerin ist eine Firma, die Leistungen des Maurer- und Betonhandwerks erbringt und ihren Sitz im EU-Ausland hat. Seit dem 26. Juni 2003 betreibt sie eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung in Deutschland. Ihr Geschäftsführer hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im EU-Ausland. Zur Durchführung von Maurer- und Betonarbeiten entsandte sie ausländische Arbeitnehmer auf inländische Baustellen.

Der Beklagte führte bei der Klägerin in der Zeit vom 22. Juni 2009 bis 23. Februar 2010 eine Lohnsteueraußenprüfung durch. Die Prüferin stellte dabei u.a. fest, dass die Urlaubsabgeltungsansprüche der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß der Lohnsteuer unterworfen worden seien. Die Klägerin beteiligte sich am Urlaubskassenverfahren von X und zahlte den im Tarifvertrag für das Baugewerbe festgelegten Prozentsatz zur Absicherung der Urlaubsansprüche ihrer Arbeitnehmer ein. In den Jahren 2005 bis 2008 erhielten Arbeitnehmer der Klägerin von X Auszahlungen für Urlaubsentschädigungen. Für Arbeitnehmer, die unter 183 Tagen im Inland beschäftigt waren, führten weder X noch die Klägerin Lohnsteuer bzw. Solidaritätszuschlag ab. Die Klägerin unterließ es, gemäß § 38 Abs. 4 EStG und § 41 c EStG dies anzuzeigen. X übersandte der Klägerin regelmäßig Übersichten über die an die Arbeitnehmer ausbezahlten Urlaubsvergütungen, aus denen sich auch ergab, ob bzw. in welcher Höhe für den jeweiligen Arbeitnehmer hieraus Steuern abgeführt wurden. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass die Klägerin für nicht abgeführte Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Haftung zu nehmen sei.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin und erließ ohne vorherige Anhörung der Klägerin am 19. Mai 2010 einen Lohnsteuerhaftungsbescheid. In den Erläuterungen führt der Beklagte aus, dass sich die Haftung aus § 42d Abs. 1 EStG ergebe. Ausführungen zu einer Inanspruchnahme von X fehlen. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Bescheid vom 2. November 2010 änderte der Beklagte die Haftungssumme. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2012 forderte der Beklagte das für X zuständige Finanzamt Y auf, zu überprüfen, ob wegen der nicht abgeführten Lohnsteuern hinsichtlich der Arbeitnehmer der Klägerin, die weniger als 183 Tage im Inland waren, eine Haftung von X hierfür in Betracht käme.

Mit Einspruchsentscheidung vom 1. März 2013 änderte der Beklagte die Höhe der Haftungsschuld erneut und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. In den Entscheidungsgründen vertritt der Beklagte die Auffassung, dass nach seiner Ansicht die Klägerin und X gleichrangig für die ausstehende Lohnsteuer zu haften hätten. Letztendlich obläge aber die Entscheidung, ob X vorrangig in Anspruch zu nehmen sei, deren Betriebsstättenfinanzamt. Der Beklagte könne mangels örtlicher Zuständigkeit hierüber nicht entscheiden. Über die Einleitung oder den Ausgang eines Lohnsteuerhaftungsverfahrens gegenüber X lagen dem Beklagten im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung keine Erkenntnisse vor.

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