Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode. Aktivitätsklauseln für Betriebsstätteneinkünfte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 AStG – dem Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode – bedarf es einer sich originär aus dem maßgebenden DBA ergebenden Freistellung.

2. Verweist ein DBA nicht auf § 8 Abs. 1 Nr. 1-6 AStG, sondern sieht es eigene Aktivitätsklauseln für Betriebsstätteneinkünfte vor, läuft § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG leer.

3. Verwaltungsabkommen fallen nicht unter § 2 AO und gehen innerstaatlichen Gesetzen niemals vor.

 

Normenkette

AStG § 20 Abs. 2, § 8 Abs. 1; DBA RUM Art. 7; DBA RUS Art. 7; AO § 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Am 19. Mai 2006 wurde die jetzige Rechtsform der Klägerin (Kl.) für die „A GmbH” (A) im Handelsregister eingetragen. An der A waren zu Beginn des Streitjahres S1 zu 70 % und S2 zu 30 % beteiligt, mit Wirkung ab 28. Febr. 2004 S1 zu 95 % und S2 zu 5 %.

Die A wurde im Streitjahr aufgrund von Consultingverträgen mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH (GTZ, zum 1. Jan. 2011 in Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) aufgegangen), deren Alleingesellschafterin die Bundesrepublik Deutschland ist (Bl. 15 GA), in Russland und Rumänien tätig, und zwar aufgrund des

  • Vertrages vom 19./28. Aug. 2003 für das Projekt „…” in Russland (Bl. 56 Rb) und des
  • Vertrages vom 16./20. Dez. 2002 für das Projekt „…” in Rumänien (Bl. 104 Rb).

Der A wurden in den jeweiligen Ländern vom Vertragsstaat (Bl. 16 GA) Geschäftsräume zur Verfügung gestellt oder sie mietete Geschäftsräume auf eigene Rechnung an. Der Auftraggeber stellte Sachmittel zur Ausstattung der Räumlichkeiten bereit (s. Ziff. 5.2 der jeweiligen Verträge, Bl. 30, 35 GA). Die A setzte vor Ort eigenes Personal zur Erbringung der vereinbarten Leistungen ein, darunter auch S1.

Die A reichte hinsichtlich der Projekte Meldungen über die Gründung einer ausländischen Betriebsstätte beim FA ein (156 Rs. Rb) und erklärte zu den Betriebsstätten jeweils nach Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfreie Einkünfte (Bl. 55, 95 Rb).

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Fachprüfer für Auslandsbeziehungen die Ansicht, dass die Einkünfte aus diesen Projekten nach der Anrechnungsmethode zu erfassen seien (Bericht vom 19. Okt. 2011, Bl. 155 Rb). Das FA folgte dieser Ansicht und setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 14. April 2014 (Bl. 10 GA) die Körperschaftsteuer (KSt) 2004 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung fest.

Im Einspruchsverfahren einigten sich die A und das FA darauf, dass der Betriebsstätte in Russland Einkünfte i.H.v. … EUR und der Betriebsstätte in Rumänien Einkünfte i.H.v. … EUR zuzurechnen sind (Bl. 198 Rs. Rb, 17, 28 GA). Mit nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geändertem Bescheid vom 7. Dez. 2015 (Bl. 8 GA) setzte das FA die KSt 2004 auf 26.067 EUR fest. Der Einspruch der Kl. blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 13. Sept. 2016, Bl. 4 GA).

Die Kl. meint, dass aus dem 2010 angefügten Satz 2 des § 20 Abs. 2 AStG die Freistellung der streitigen Einkünfte folge. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG schränke die Geltung des Lex-posterior-Grundsatzes für völkerrechtliche Verträge nicht ein, wie das BVerfG entschieden habe (Beschluss vom 15. Dez. 2015 – 2 BvL 1/12). Auch aus § 2 Abs. 1 AO ergebe sich kein Vorrang von völkerrechtlichen Verträgen. Hilfsweise folge die Anwendbarkeit von § 20 Abs. 2 S. 2 AStG aus Art. 28 Abs. 1 des DBA mit Rumänien (Bl. 19 GA), wonach das Abkommen nicht so auszulegen ist, als hindere es einen Vertragsstaat, seine innerstaatlichen Rechtvorschriften zur Verhinderung der Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung anzuwenden.

Aus den internationalen Abkommen über die Technische Zusammenarbeit (TZ-Abkommen) ergebe sich eine Steuerbefreiung für die Gewinne im Tätigkeitstaat (Bl. 20 f. GA). Die Kl. beantragt, Beweis durch Sachverständigen-Gutachten zu erheben zur generellen Steuerbefreiung von Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit auf der Grundlage der hier einschlägigen TZ-Abkommen (Bl. 22 GA).

Die Kl. beantragt,

den Bescheid für 2004 über Körperschaftsteuer vom 14. April 2014, geändert am 7. Dez. 2015, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Sept. 2016, dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer auf … EUR herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Ansicht, dass die Anwendung der Anrechnungsmethode sich aus den jeweiligen DBA ergebe und nicht aus § 20 Abs. 2 S. 1 AStG, weswegen die Ausnahmeregelung des § 20 Abs. 2 S. 2 AStG nicht greifen könne.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat in dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich der streitigen Einkünfte zu Recht das Anrechnungsverfahren angewendet.

1. Die A, eine Kapitalgesellschaft, hatte im Streitjahr ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz in B. Sie war damit in Deutschland unbeschrän...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge