Entscheidungsstichwort (Thema)

Buchführungsmängel bei fehlenden Ausgangsrechnungen zu fortlaufend vergebenen Rechnungsnummern. (Un-)Sicherheitszuschlag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Beweiskraft der Buchführung ist erschüttert, wenn zu insgesamt 23 vom Buchführungsprogramm vergebenen fortlaufenden Rechnungsnummern weder eine Ausgangsrechnung noch ein Stornobeleg oder eine sonstige (die fehlerhafte Nummernvergabe dokumentierende) Unterlage vorliegt.

2. Die danach zulässige Schätzung kann auch durch einen (pauschalen) Zuschlag zu den Betriebseinnahmen erfolgen, um dadurch den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die punktuelle Feststellung von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Steuerpflichtigen eingetreten sind, sog. (Un-)Sicherheitszuschlag.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 1-2, § 158

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Der Kläger erzielte in den Streitjahren aus einem … Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Laut den eingereichten Gewinnermittlungen erzielte er 2005 bei Umsätzen von 222.059,– EUR einen Gewinn von 42.786,74 EUR, 2006 bei Umsätzen von 296.629,56 EUR einen Gewinn von 59.891,56 EUR und 2007 bei Umsätzen von 369.979,60 EUR einen Gewinn von 106.449,74 EUR.

Zur Erstellung seiner Rechnungen verwendete der Kläger ein Software-Programm, das für jede Rechnung automatisch eine fortlaufende Rechnungsnummer vergab. Die Rechnungen wurden vom Kläger oder seiner Lebensgefährtin X erstellt und ausgedruckt. Die Überwachung des Zahlungseingangs und das Mahnwesen waren in der Weise organisiert, dass jeweils ein Ausdruck der (elektronisch automatisch gespeicherten) Rechnungen in einem Ordner abgelegt wurde. Bezahlte Rechnungen wurden dann ausgeheftet und gemeinsam mit dem Einzahlungsbeleg dem mit der Buchführung und der Erstellung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen beauftragten Dienstleister übermittelt. Der Ordner mit den offenen Rechnungen wurde in regelmäßigen Abständen durchgesehen, ob ggf. ein Tätigwerden erforderlich war. Die ausgestellten Rechnungen wurden überwiegend per Überweisung bezahlt. Hierfür unterhielt der Kläger ein rein betriebliches Konto bei der Sparkasse A und ein sog. „Nebenkassenkonto” bei der Sparkasse B. Bei der Erstellung der Rechnungen konnte ausgewählt werden, welche Bankverbindung aufgedruckt werden sollte. Eingänge auf dem „Nebenkassenkonto” wurden in der Weise behandelt, dass betriebliche Zahlungen in ein Kassenbuch übertragen und dieses mit den entsprechenden Belegen der Buchhaltungskraft übergeben wurde. Ein Kassenbuch für die nur wenigen Barzahlungen wurde nicht geführt; diese Einnahmen wurden direkt in der Software gebucht.

Bei einer Betriebsprüfung für die Streitjahre traf die Prüferin folgende Feststellungen:

  • Im Rahmen der Prüfung des (elektronischen) Rechnungsausgangsbuchs sei zu Rechnungen ohne gebuchten Zahlungseingang aufgrund versandter Kontrollmitteilungen festgestellt worden, dass auf drei Rechnungen Zahlungen erfolgt waren:

    Re.Nr.

    Datum

    Betrag (brutto)

    Zahlungseingang

    Zahlungsart

    51329

    06.06.2005

    1.508,00

    08.07.2005

    Überweisung „Nebenkassenkonto”

    63107

    22.12.2006

    1.450,00

    ?

    bar

    73164

    29.12.2006

    3.158,68

    21./29.12.2006

    bar

  • Die Buchhaltung weise Mängel auf. Neben den nicht erklärten Einnahmen lägen vom Rechnungslegungsprogramm vergebene Rechnungsnummern ohne Ausgangsrechnung vor (2005: 8 Nummern, 2006: 5 Nummern, 2007: 10 Nummern; vgl. Blatt 25 Rb-Akte). Für die vom Steuerberater gegebene Begründung, dass Kurzschlüsse oder Stromausfälle – auch im Millisekundenbereich – die Vergabe von Rechnungsnummern ohne tatsächliche Erstellung einer Rechnung verursachten, sei kein Nachweis durch den Hersteller der Software K vorgelegt worden. Auch weiche der tatsächliche Stand des „Nebenkassenkontos” zu jedem Gewinnermittlungsstichtag von dem Stand lt. Buchführung deutlich ab. Daher sei ein Unsicherheitszuschlag in Höhe von 5 % der Nettoerlöse anzusetzen (= 9.913,– EUR zzgl. 1.587,– EUR Umsatzsteuer – USt – für 2005; 12.586,– EUR zzgl. 2.014,– EUR USt für 2006; 13.865,– EUR zzgl. 2.635,– EUR USt für 2007).
  • Für insgesamt sechs Dienstreisen in 2005 und 2006, die an Wochenenden stattgefunden hätten, sei die dienstliche Veranlassung nicht nachgewiesen.

Auf den Bericht über die Betriebsprüfung vom 2. August 2010 wird insoweit verwiesen.

Der Beklagte (das Finanzamt) folgte den Feststellungen und rechtlichen Wertungen des Prüfers und setzte mit nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 2. September 2010 die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2005 bis 2007 entsprechend fest.

Das hiergegen durchgeführte Einspruchsverfahren hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzamt im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2012 (Blatt 44 ff der Rb-Akte) die Einkommensteuer für 2005 auf 10.387,– EUR, für 2006 auf 17.988,– EUR, für 2007 auf 32.273,– EUR, den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 auf 49...

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