Entscheidungsstichwort (Thema)

„Dinner-Show” mit mehrgängigem Menü und Unterhaltung durch Artisten und Musiker als einheitliche, komplexe Leistung. ermäßigter Umsatzsteuersatz. planwidrige Regelungslücke

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine einheitliche, komplexe Leistung liegt vor, wenn ein Unternehmer seinen Gästen gegen Eintritt im Rahmen einer sogenannten „Dinner-Show” ein mehrgängiges Menü mit Unterhaltung durch Artisten und Musiker anbietet.

2. Der Charakter der „Dinner-Show” wird wesentlich durch die Mischung aus Unterhaltung und gutem Essen verbunden mit dem Ambiente bestimmt, wobei sich beide Leistungsbestandteile gleichwertig gegenüberstehen. Die einheitliche, komplexe Leistung unterliegt daher weder nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG noch nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG dem ermäßigten Steuersatz.

3. Jedoch ist der ermäßigte Steuersatz in der Zusammenschau der beiden genannten Vorschriften im Wege der erweiternden Auslegung auf die „Dinner-Show” anzuwenden. Denn ein Ausschluss einer komplexen Leistung von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes stellt zumindest dann einen Wertungswiderspruch zu der gesetzlichen Regelung dar, wenn die Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung gleichwertiger Bestandteil der Leistung neben einem weiteren Leistungsbestandteil ist, der seinerseits dem ermäßigten Steuersatz unterläge, wenn dieser den Hauptbestandteil der komplexen Leistung bildete.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 1, 2 Nr. 7 Buchst. a, Nr. 15

 

Tenor

1. Die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung vom 27. Juni 2022 werden dahingehend geändert, dass die festgesetzte Umsatzsteuer für März 2021 um 5.295,80 Euro, für April 2021 um 22.020,91 Euro, für Mai 2021 um 9.139,30 Euro, für Juni 2021 um 5.722,37 Euro, für Juli 2021 um 53,53 Euro und für September 2021 um 897,45 Euro herabgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin veranstaltet jährlich in den Monaten November und Dezember …. die Dinner-Show „Y”. Sie bietet ihren Gästen gegen ein Entgelt (Eintritt) ein mehrgängiges Menü mit Unterhaltung durch Artisten und Musiker an. Getränke werden gesondert in Rechnung gestellt.

Die umsatzsteuerpflichtige Klägerin versteuert ihre Einnahmen nach vereinbarten Entgelten. In den Voranmeldungen für März bis Juni 2021 machte die Klägerin negative Umsätze zu 19 % geltend, weil sie davon ausging, dass bereits mit 19 % versteuerte Umsätze aus dem Vorverkauf nunmehr mit 7 % zu versteuern seien. Für die in den Monaten Juli und September 2021 erlösten Umsätze aus dem Vorverkauf berechnete sie die den Voranmeldungen zugrunde gelegten Umsätze ebenfalls mit 7 %.

Der Beklagte – das Finanzamt – ging davon aus, dass die Umsätze aus dem Vorverkauf für die Dinner-Show dem Regelsteuersatz von 19 % unterlägen und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März bis Juli und September 2021 entsprechend fest. Hiergegen eingelegte Einsprüche wies der Beklagte mit zusammengefasster Entscheidung vom 17. Februar 2022 zurück (Bl. 124 ff. der Rb-Akte).

Nach Erhebung der Klage am 18. März 2022 erließ der Beklagte nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung unter dem 27. Juni 2022 Bescheide, in denen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen abweichend und jeweils weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehend für März 2021 auf ./. 19.742,18 Euro, für April 2021 auf ./.14.150.52 Euro, für Mai 2021 auf ./. 8.634,36 Euro, für Juni 2021 auf ./. 5.491,64 Euro, für Juli 2021 auf 15.937,91 Euro und für September 2021 auf 57.479,67 Euro festsetzte (Bl. 62 ff. der Gerichtsakte).

Die Klägerin ist auf der Grundlage der Rechtsprechung der Auffassung, es handele sich bei der aus den Bestandteilen „Varieté-Aufführung” und „Menü-Begleitung” bestehenden Leistung „Dinner-Show” um eine einheitliche, komplexe Leistung. Diese Leistung unterliege zwar der Rechtsprechung zufolge dem Grunde nach insgesamt dem Regelsteuersatz, weil einer seiner Bestandteile – hier die Menü-Begleitung – nicht dem ermäßigten, sondern dem vollen Steuersatz unterliege. Infolge des Corona-Steuerhilfegesetzes vom 19. Juni 2020 in der Fassung des Zweiten und Dritten Corona-Steuerhilfegesetzes gelte für die Menü-Begleitung aber ebenfalls ein ermäßigter Steuersatz, so dass die komplexe Leistung dem ermäßigten Steuersatz unterfiele. Alles andere widerspräche dem Sinn der Regelungen zum ermäßigten Steuersatz und somit dem Ziel der Gesetzgebung.

Zweck des Corona-Steuerhilfegesetzes sei es, besonders betroffene Akteure zu unterstützen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten neben der Gastronomie auch Bereiche bzw. Branchen profitieren, sofern sie bisher Umsätze im Bereich der Abgabe von verzehrfertigen, zubereiteten Speisen zum Regel...

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