Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtanerkennung eines Veräußerungsverlusts nach § 17 EStG infolge Gestaltungsmissbrauchs bei wechselseitiger Veräußerung von Anteilen an einer GmbH durch zwei je hälftig beteiligte Gesellschafter zu einem weit unter dem tatsächlichen Wert der Anteile liegenden Verkaufspreis

 

Leitsatz (redaktionell)

Sind zwei Gesellschafter je zur Häfte an einer GmbH beteiligt und verkaufen sie sich jeweils gegenseitig ihre Anteile an der GmbH, so ist diese Gestaltung, die für jeden Gesellschafter jeweils zu einem Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG führt, nicht schon deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil jeder Gesellschafter am selben Tag einen gleichen Anteil von seinem Mitgesellschafter zum selben Preis erworben hat. Von einer missbräuchliche Gestaltung ist aber auszugehen, wenn die Preise für die wechselseitig veräußerten und erworbenen gleichen Geschäftsanteile erheblich unter ihrem tatsächlichen Wert vereinbart worden sind, sich bei einem angemessenen Preis jeweils ein Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG ergeben hätte und es nur wegen der Vereinbarung des unter dem tatsächlichen Wert der Anteile liegenden Verkaufspreises zu einem Veräußerungsverlust nach § 17 EStG gekommen ist.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; AO § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.09.2022; Aktenzeichen IX R 18/21)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Berücksichtigung eines gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG entstandenen Veräußerungsverlustes wegen eines Missbrauches rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 AO) ausgeschlossen ist.

Der Kläger ist ebenso wie sein Mitgeschäftsführer Sch. an der Presse mbH (Stammkapital 260.000 Euro) hälftig beteiligt. In einem Antrag auf verbindliche Auskunft nach § 89 AO bekundeten die Gesellschafter ihre Absicht, die im Privatvermögen gehaltenen Geschäftsanteile wechselseitig im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu veräußern. Der Beklagte sollte Auskunft dazu erteilen, ob durch die wechselseitige Anteilsveräußerung bei jedem Gesellschafter (ohne Veräußerungskosten gerechnet) ein abziehbarer Verlust in Höhe von 292.500 Euro entsteht, wenn der Veräußerungspreis 12.500 Euro beträgt und Anschaffungskosten in Höhe von 500.000 Euro zugrunde gelegt werden. Am 9. August 2017 besprachen der Prozessbevollmächtigte und der Mitgesellschafter des Klägers mit Vertretern des Finanzamtes den Antrag auf verbindliche Auskunft. Seitens der Gesellschafter wurde geltend gemacht, dass sie Darlehen aufgenommen hätten, um den Erwerb ihrer Geschäftsanteile zu finanzieren. Die Ausschüttungen der Gesellschaft seien zur Tilgung der Darlehen verwandt worden. Da nach einer guten Entwicklung der Gesellschaft nunmehr Verluste erwirtschaftet würden, sei beabsichtigt, infolge des wechselseitigen Verkaufs der Geschäftsanteile entstehende Steuererstattungen für die weitere Tilgung der jeweils noch in Höhe von 187.500 Euro ausstehenden Darlehen zu verwenden. Am 27. November 2017 lehnte der Beklagte die Erteilung einer verbindlichen Auskunft mit der Begründung ab, dass eine umfassende und in sich geschlossene Darstellung des zu verwirklichenden Sachverhaltes nicht vorliege und keine Angaben zum Gegenstandswert gemacht worden seien.

Am 27. Dezember 2017 schloss der Kläger mit Sch. einen Kauf- und Abtretungsvertrag über seinen Geschäftsanteil von 130.000 Euro an der Presse mbH. Der Kaufpreis wurde mit 12.500 Euro vereinbart. Am selben Tag verkaufte und übertrug Sch. seinen Geschäftsanteil von 130.000 Euro zu denselben Konditionen an den Kläger. Ein Verlust aus der Veräußerung des Geschäftsanteils an der Presse mbH wurde im Einkommensteuerbescheid 2017 vom 28. Dezember 2018 nicht berücksichtigt, wogegen der Kläger am 24. Januar 2019 Einspruch erhob. Der Beklagte hatte den Ertragswert der Presse mbH im vereinfachten Verfahren nach § 200 Abs. 1 BewG mit 1.494.845 Euro ermittelt. Darauf nahm er in seiner auf § 42 AO gestützten zurückweisenden Einspruchsentscheidung vom 16. September 2020 Bezug. In dieser Einspruchsentscheidung ist dargestellt, dass sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2018 die Presse mbH Gewinnausschüttungen vornahm, erhebliche Geschäftsführergehälter von mehr als 90.000 Euro pro Gesellschafter bilanzierte und steuerliche Jahresüberschüsse erzielte.

Der Kläger erhob am 16. Oktober 2020 Klage, mit welcher er geltend macht: Eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO liege nicht vor, so dass ein Veräußerungsverlust anzuerkennen sei. Das Motiv der Steuerersparnis mache eine rechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Die Berücksichtigung des Veräußerungsverlustes stehe nicht nur mit § 17 EStG im Einklang, sondern auch mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Die Verlagsbranche erleide einen technologischen Umbruch, der mittelständische Unternehmen in ihrer Existenz bedrohe. ...

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