Leitsatz

Kann beim Sonderausgabenabzug die in einem Veranlagungszeitraum erstattete Kirchensteuer nicht mit in diesem Jahr gezahlter Kirchensteuer verrechnet werden ("Erstattungsüberhang"), liegt insoweit ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor.

 

Sachverhalt

Die Kläger bekamen im Jahr 2007 Kirchensteuersteuer i. H. v. insgesamt 10.418 EUR erstattet; davon resultierten 9.838 EUR aus einem Erlass der Kirchensteuer.

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2007 machten die Kläger Lohnkirchensteuer i. H. v. 3.117 EUR nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgabe geltend. Da sich nach Verrechnung mit der Erstattung für 2007 ein Erstattungsüberhang von 7.301 EUR ergab, änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2006 dergestalt nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis), dass es die dort als Sonderausgaben angesetzte Kirchensteuer um den vorgenannten Betrag kürzte. Dies führte für 2006 u. a. zu einer Kirchensteuernachzahlung.

 

Entscheidung

Das FG ist der Ansicht der Kläger, dass die rückwirkende Änderung des Bescheids für 2006 insoweit nicht möglich sei, als ihnen die Kirchensteuer erlassen worden sei, nicht gefolgt. Denn der Rechtsgrund für die Erstattung ist für die allgemein interessierende Rechtsfrage, ob der Steuerpflichtige durch Aufwendungen i. S. d. § 10 EStG endgültig wirtschaftlich belastet ist, unerheblich.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist die "gezahlte Kirchensteuer" als Sonderausgabe abziehbar. Aus der Verwendung des Begriffs "Aufwendungen" in § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG folgt, dass nur solche Kirchensteuer als Sonderausgabe berücksichtigt werden darf, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist.

Dass die Kirchensteuererstattung überwiegend rechtliche Folge des Erlasses und damit Folge einer partiellen Beendigung des Steuerschuldverhältnisses und des Erlöschens des Kirchensteueranspruches nach § 47 AO war, ändert nichts an der Tatsache, dass aufgrund des Erlasses und der Erstattung Aufwendungen der Kläger in Form gezahlter Kirchensteuer von 9.838 EUR endgültig entfallen sind. Insoweit sind die Kläger endgültig wirtschaftlich nicht mehr belastet. Zu bedenken ist auch, dass sich diese Kirchensteuerzahlung vor der Erstattung zugunsten der Kläger nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuermindernd ausgewirkt hat.

 

Hinweis

Die Entscheidung des FG ist noch nicht rechtskräftig, denn die Kläger haben Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt (Az. des BFH: X B 110/11).

Im Übrigen werden künftig Erstattungsüberhänge dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet Das aufwändige Verfahren zur rückwirkenden Änderung von Steuerbescheiden anderer Veranlagungszeiträume nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO entfällt damit. Dies hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 Nr. 4b EStG i. d. F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 festgelegt.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 16.06.2011, 11 K 1985/10

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