Sachverhalt

Bei dem polnischen Verfahren ging es um die Auslegung der Artikel 44 und 47 MwStSystRL. Fraglich war der Ort einer komplexen Dienstleistung im Bereich der Lagerung von Waren.

Die Klägerin erbringt an Leistungsempfänger mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten Lagerungsdienstleistungen. Diese Dienstleistungen umfassen die Annahme der Waren in einem - nicht konkretisierten - Lager, ihre Unterbringung auf geeigneten Lagerregalen, die Aufbewahrung dieser Waren, das Verpacken der Waren für den Kunden, die Ausgabe der Ware, das Entladen und das Verladen. Für manche der Leistungsempfänger, bei denen es sich um Lieferanten von Waren an EDV-Konzerne handelt, gehört zur fraglichen Dienstleistung auch das Umpacken von Materialien, die in Sammelpackungen geliefert werden, in individuelle Zusammenstellungen. Im Bereich der an die Vertragspartner erbrachten komplexen Dienstleistung ist die Bereitstellung von Lagerraum nur einer der vielen Bestandteile des logistischen Prozesses, dessen Leitung die Klägerin übernimmt. Die Lagerflächen sind dabei für den Kunden nicht frei zugänglich.

Die polnischen Behörden vertraten gegenüber der Klägerin die Auffassung, bei den fraglichen Leistungen handele es sich um Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück (Artikel 47 MwStSystRL), so dass die entsprechenden Leistungen in Polen zu versteuern wären. Nach Auffassung der Klägerin stellen die Leistungen keine mit einem Grundstück zusammenhängenden Leistungen dar und findet die allgemeine Ortsregelung nach Artikel 44 MwStSystRL Anwendung.

Der EuGH musste prüfen, ob die Lagerung von Gegenständen, wenn dem Kunden kein bestimmter Teil des Grundstücks zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung gestellt wird, in den Anwendungsbereich von Artikel 47 MwStSystRL (= § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG) fällt.

 

Entscheidung

Der EuGH hat sich in seinem Urteil zunächst - ohne entsprechend gefragt worden zu sein - zur Einheitlichkeit der Leistung geäußert. Danach ist im Ausgangsverfahren die Lagerung der Waren grundsätzlich als die Hauptleistung anzusehen und die Annahme, die Unterbringung, die Ausgabe, das Entladen und das Verladen der Waren lediglich als Nebenleistungen anzusehen. Die letztgenannten Leistungen sollen für die Kunden grundsätzlich keinen eigenen Zweck haben, sondern stellen Vorgänge dar, die es ihnen ermöglichen, die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Was das Umpacken von in Sammelpackungen gelieferten Waren in individuelle Zusammenstellungen betrifft, ist der EuGH der Auffassung, dass diese Leistungen, die nur an einige Kunden erbracht werden, immer dann als eigenständige Hauptleistungen anzusehen sind, wenn das Umpacken nicht unerlässlich ist, um eine bessere Lagerung der fraglichen Waren zu gewährleisten. Somit stellt die im Ausgangsverfahren vorliegende komplexe Leistung im Bereich der Lagerung einen einheitlichen Umsatz dar, bei dem die Hauptleistung in der Lagerung von Waren besteht.

Der Ort dieser Leistung bestimmt sich nach dem Urteil nur dann nach Art. 47 MwStSystRL, wenn dem Empfänger der Dienstleistung ein Recht auf Nutzung eines ausdrücklich bestimmten Grundstücks oder eines Teils desselben gewährt wird. Wenn der Empfänger einer Lagerleistung z. B. kein Recht auf Zugang zu dem Teil des Grundstücks hat, in dem seine Waren gelagert sind, oder wenn das Grundstück bzw. das Gebäude, auf dem oder in dem die Waren gelagert werden sollen, keinen zentralen und unverzichtbaren Bestandteil der Dienstleistung darstellt, kann eine Lagerleistung wie die im Ausgangsverfahren nicht unter Art. 47 MwStSystRL fallen.

Eine Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück gemäß Art. 47 MwStSystRL setzt nach dem Urteil voraus, dass Gegenstand der Dienstleistung das Grundstück selbst ist. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn ein ausdrücklich bestimmtes Grundstück insoweit als wesentlicher Bestandteil einer Dienstleistung anzusehen ist, als es einen zentralen und unverzichtbaren Bestandteil der Dienstleistung darstellt.

 

Hinweis

Im vorliegenden Fall dürfte sich der Ort der Lagerungsdienstleistung vielmehr nach Art. 44 MwStSystRL (= § 3a Abs. 2 UStG) richten. Der EuGH hat bestätigt, dass es - gemessen an seiner bisherigen Rechtsprechung (insbesondere Urteil v. 27.10.2011, C-530/09 (Inter-Mark Group) - für die Frage, ob eine Dienstleistung als im Zusammenhang mit einem Grundstück stehend anzusehen ist, vor allem auf die Merkmale ankommt, die folgende Kriterien erfüllen:

  • die Dienstleistung muss sich auf ein konkret bestimmtes Grundstück beziehen, d. h. ein Grundstück, das identifizierbar ist, was seine individuelle Lage auf der Erdoberfläche angeht;
  • Gegenstand der Dienstleistung muss ein konkretisiertes Grundstück sein, oder die Dienstleistung muss auf dem / für das konkrete(n) (nicht irgendeinem bzw. irgendein) Grundstück erbracht werden;
  • dieses konkrete Grundstück muss dem Wesen der erbrachten Dienstleistung inhärent, ihr zentraler Bestandteil sein, ihr selbst innewohnen, der Dienstleistung ihren Hauptzw...

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