Leitsatz

Unterstellt eine juristische Person gemäß oder entsprechend § 291 AktG die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen, so führen die auf diesem Beherrschungsvertrag beruhenden umfassenden Weisungsrechte anders als die sich aus der Stellung als Mehrheitsgesellschafter gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG ergebenden Weisungsrechte zur organisatorischen Eingliederung.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, Art. 11 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 76, § 291, § 308 AktG, § 46 Nr. 6 GmbHG, § 60 Abs. 3, § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist zu 100 % an der C‐GmbH beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 29.10.2007 schloss sie als herrschendes Unternehmen mit der C‐GmbH in Gründung (i. Gr.) einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, der am 4.12.2007 im Handelsregister eingetragen wurde. Danach unterstellte die C‐GmbH i. Gr. die Leitung ihrer Gesellschaft der Klägerin. Nach § 1 und § 2 des Vertrags war die Klägerin berechtigt, der Geschäftsführung der C‐GmbH i. Gr. sowohl hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft als auch allgemein oder auf Einzelfälle bezogene Weisungen zu erteilen. Die C‐GmbH i. Gr. verpflichtete sich, den Weisungen zu folgen. Gemäß § 5 Abs. 2 des Vertrags sollte der Vertrag hinsichtlich des Weisungsrechts mit Eintragung im Handelsregister wirksam werden. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war S, Geschäftsführer der C‐GmbH waren T und K.

Das FA ging davon aus, dass zwischen der Klägerin und der C‐GmbH seit dem Streitjahr 2007 eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestanden habe. Am 1.1.2011 wurde über das Vermögen der C‐GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde L bestellt. Das FA hob den Umsatzsteuerbescheid 2007 gegenüber der C‐GmbH auf und änderte den Umsatzsteuerbescheid 2007 gegenüber der Klägerin, in dem es die Umsätze der C‐GmbH bei der Klägerin erfasste.

Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.7.2015, 6 K 1352/14, Haufe-Index 9250529, EFG 2016, 844).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe zwar zu Recht aus dem Beherrschungsvertrag auf die organisatorische Eingliederung der C‐GmbH geschlossen. Da die Eintragung in das Handelsregister aber erst am 4.12.2007 wirksam geworden sei, habe die Organschaft aber auch erst mit dieser Eintragung bestanden. Daher seien weitere Feststellungen zu den einzelnen Besteuerungsgrundlagen zu treffen.

 

Hinweis

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine organisatorische Eingliederung voraus. Das Weisungsrecht, das der GmbH-Mehrheitsgesellschafter in der Gesellschafterversammlung der GmbH ausüben kann, genügt für die Begründung der organisatorischen Eingliederung nach ständiger Rechtsprechung nicht (BFH, Urteil vom 2.12.2015, V R 15/14, BFH/NV 2016, 506, BFH/PR 2016, 111, BStBl II 2017, 553).

Bislang noch nicht zu entscheiden hatte der BFH die Frage, wie sich diese Rechtsprechung auf die Möglichkeit einer organisatorischen Eingliederung aufgrund eines Beherrschungsvertrags auswirkt.

2. Der BFH bejaht jetzt die organisatorische Eingliederung durch Abschluss und Eintragung eines Beherrschungsvertrags. Er hält zudem weiter daran fest, dass das Weisungsrecht, das der GmbH-Mehrheitsgesellschafter in der Gesellschafterversammlung der GmbH ausüben kann, für die organisatorische Eingliederung nicht ausreicht.

Der BFH begründet die Unterscheidung zwischen dem Weisungsrecht aufgrund des Beherrschungsvertrags und dem Weisungsrecht als GmbH-Mehrheitsgesellschafter damit, dass sich das Weisungsrecht kraft Beherrschungsvertrags nach § 308 AktG auf die Leitung der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG) erstreckt und damit nicht nur der Überwachung der Geschäftsführung dient. Das Weisungsrecht nach § 308 AktG bezieht sich dabei auf die Geschäftsführung, die organschaftliche Vertretung sowie alle Maßnahmen im Innenverhältnis der Gesellschaft unter Einschluss der Rechnungslegung. Demgegenüber eröffnet das Weisungsrecht des GmbH-Mehrheitsgesellschafters nur die Möglichkeit, einzelne laufende Angelegenheiten zu beeinflussen.

Zudem ermöglicht der Beherrschungsvertrag eine direkte Weisungserteilung, ohne erst noch die Gesellschafterversammlung einschalten zu müssen.

3. Führt der Beherrschungsvertrag zur organisatorischen Eingliederung, kommt es für den Beginn der Organschaft auch auf die Eintragung im Handelsregister als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beherrschungsvertrag an.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.5.2017 – V R 7/16

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