Leitsatz

1. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht deshalb unrichtig oder unvollständig, weil sie nicht auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung auf elektronischem Weg hinweist (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Beruft sich ein Prozessbevollmächtigter wegen Versäumung der Einspruchsfrist auf ein Büroversehen, gehört zum schlüssigen Vortrag der Wiedereinsetzungsgründe die Darlegung, warum ein Organisationsverschulden auszuschließen ist.

3. Wird die nur versehentlich unterlassene Übermittlung eines fristwahrenden Einspruchs im Telefax-Verfahren geltend gemacht, indizieren die gleichwohl erfolgte Dokumentation eines entsprechenden Einspruchsschreibens im Postausgangsbuch wie auch die Löschung der Einspruchsfrist ohne einen die Übermittlung bestätigenden Sendebericht einen Organisationsmangel.

 

Normenkette

§§ 87a, 110 Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2, 355 Abs. 1 Satz 1, 356, 357 Abs. 1 Satz 1 AO

 

Sachverhalt

Der vom Bevollmächtigten des Klägers schriftlich eingelegte Einspruch gegen einen Schätzungsbescheid ging erst deutlich nach Ablauf der Einspruchsfrist beim FA ein. Nach Hinweis des FA auf den Ablauf der Einspruchsfrist beantragte der Bevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Steuererklärung sei rechtzeitig fertig gestellt worden. Da eine Vollziehungsaussetzung bei Schätzungsbescheiden nur bei Abgabe der Steuererklärung erfolge, sei das gleichzeitig erstellte Einspruchsschreiben auf die Steuererklärung geheftet worden. Die ansonsten sehr zuverlässige Angestellte habe den Einspruch zuvor an das FA faxen sollen. Dies sei jedoch unterblieben, da sie offenbar die Telefaxnummer nicht sofort zur Hand gehabt habe. Auf diesen Sachverhalt sei man erst durch das Schreiben des FA aufmerksam geworden.

Das FA lehnte die Wiedereinsetzung wegen schuldhafter Fristversäumnis ab und verwarf den Einspruch als unzulässig. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 22.5.2012, 13 K 2265/11 E, Haufe-Index 3511528).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Der Einspruch sei verspätet. Die Einspruchsfrist habe normal zu laufen begonnen, weil die Rechtsmittelbelehrung im Steuerbescheid richtig gewesen sei. Sie habe keinen Hinweis auf die Möglichkeit eines elektronischen Einspruchs enthalten müssen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe keinen schlüssigen Vortrag dazu enthalten, auf welche Weise die Fristen im Büro überwacht worden seien, insbesondere wann, wie und von wem nach Maßgabe der Büroorganisation im Falle eines per Telefax übermittelten Schriftstücks die Absendung dokumentiert worden sei und ob und ggf. welche Vorgaben und Belehrungen die Berufsträger insoweit erteilt hätten. Die Darstellung im Antragsverfahren biete insbesondere keine Erklärung dafür, dass der in Kopie vorgelegte Auszug aus dem Postausgangsbuch ein Einspruchsschreiben in Sachen der Kläger an das FA ausweist, wenn gerade für diesen Tag ein versehentliches Unterlassen der Telefax-Übermittlung geltend gemacht werde. Daraus sei vielmehr zu ersehen, dass fälschlich ein tatsächlich so nicht erfolgter Postausgang dokumentiert worden sei, was auf einen Organisationsmangel hinweise.

Auch der nachträgliche Vortrag, es habe eine Einzelweisung an die Angestellte gegeben, das Einspruchsschreiben vorab per Telefax an das FA zu senden, sei nicht geeignet, einen Organisationsmangel auszuschließen. Er erkläre nicht, weshalb bei der behaupteten sicheren Fristenkontrolle die tatsächlich nicht erfolgte Absendung des Telefaxes unbemerkt bleiben konnte und warum auch ohne Übermittlung des Einspruchsschreibens per Telefax und demzu­folge auch ohne einen entsprechenden ausgedruckten Sendebericht der Postausgang vermerkt und die Frist gelöscht worden sei.

 

Hinweis

Fristenorganisation und Fristenkontrolle in der Anwalts- oder Steuerberaterpraxis sind recht aufwendig und oft kompliziert. So ist es geboten, einige Sorgfalt auf dieses Thema zu verwenden, das manchem als formalistische, blutleere Erbsenzählerei erscheinen mag. Wenn hier Fehler gemacht werden, droht allein aus verfahrensrechtlichen Gründen ein endgültiger Rechtsverlust. Im Einzelnen:

1. Ist eine Rechtsmittelfrist versäumt worden, so kann sich als "Gegenmedizin" empfehlen, die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Steuerbescheids oder der angefochtenen Entscheidung zu analysieren. Ist sie fehlerhaft (was durchaus hin und wieder vorkommt), dann beginnt die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen.

Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die die Angaben des § 356 Abs. 1 AO enthält, ist aber nicht "unrichtig" i.S.d. § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sie ergänzend den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO (Schriftform) wiedergibt und nicht zugleich auf § 87a AO (elektronische Kommunikation) verweist.

2. Wichtiger ist daher ein sorgfältig gestellter (!) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der voraussetzt, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.

a) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und zu beg...

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