Leitsatz

1. Die Klage gegen einen auf null € lautenden Steuerbescheid ist zulässig, wenn geltend gemacht wird, eine den verbleibenden Verlustvortrag erhöhende Besteuerungsgrundlage sei in ihm nicht berücksichtigt (Beseitigung der negativen Bindungswirkung).

2. Ist die Besteuerungsgrundlage im Steuerbescheid berücksichtigt (positive Bindungswirkung), besteht jedoch Streit über die Frage, ob sie den verbleibenden Verlustvortrag erhöht (hier: Altersentlastungsbetrag), muss die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid gerichtet werden. Im Steuerbescheid wird nicht über die Berechnung des Verlustvortrags entschieden.

3. Eine Besteuerungsgrundlage (hier: Altersentlastungsbetrag) ist einem Steuerbescheid "zu Grunde gelegt", wenn sie in ihm (in zutreffender Höhe) berücksichtigt ist. Zumindest bei einem auf null € lautenden Steuerbescheid ist nicht zusätzlich erforderlich, dass sie sich auf die Höhe der festzusetzenden Steuer ausgewirkt hat (Abgrenzung von Senatsurteil vom 12.07.2016 ‐ IX R 31/15, BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699).

 

Normenkette

§ 40 Abs. 2 FGO, § 10d Abs. 4 Satz 4, § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG

 

Sachverhalt

Im Einkommensteuerbescheid der Kläger ist der Altersentlastungsbetrag in zutreffender Höhe berücksichtigt. Beim Kläger war die Summe der Einkünfte negativ, bei der Klägerin betrug sie Null. Streitig war, ob der Altersentlastungsbetrag den verbleibenden Verlustvortrag erhöht (Kläger) bzw. zur Entstehung bringt (Klägerin). Nach erfolglosem Vorverfahren haben die Kläger nur gegen den Einkommensteuerbescheid Klage erhoben. Das FG hat der Klage stattgegeben (FG Köln, Urteil vom 12.12.2018, 10 K 1730/17, Haufe-Index 13011997, EFG 2019, 533).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hat der BFH das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Kläger hätten gegen den Feststellungsbescheid klagen müssen. Im Verfahren gegen den Einkommensteuerbescheid konnte die streitige Rechtsfrage nicht geklärt werden. Durch diesen Bescheid waren die Kläger nicht beschwert.

 

Hinweis

Streitig war eigentlich, ob der Altersentlastungsbetrag den Verlustabzug erhöht. Diese Frage ist im Schrifttum umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt. Sie bleibt indes ungeklärt, denn die Klage war unzulässig. Geklärt worden ist stattdessen, gegen welchen Bescheid geklagt werden muss, wenn ein höherer Verlustvortrag begehrt wird.

1. Gegen einen sog. Nullbescheid ist eine Anfechtungsklage nicht zulässig. Für die Klagebefugnis (Beschwer) kommt es auf den Verfügungssatz des Bescheids an, also auf die Steuerfestsetzung. Ergibt sich aus ihr keine Belastung, kann mit der Anfechtungsklage eine Verbesserung nicht erreicht werden. Die dem Steuerbescheid zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen sind im Grundsatz nicht isoliert anfechtbar (§ 157 Abs. 2 AO).

2. Für die Verlustfeststellung gilt das nicht. Insofern entfalten die dem Steuerbescheid zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen Bindungswirkung. In § 157 Abs. 2 AO fehlt allerdings eine entsprechende Klarstellung. Die Bindungswirkung gilt positiv wie negativ. Fehlen verlusterhöhende Besteuerungsgrundlagen im Steuerbescheid, entfaltet dieser negative Bindungswirkung, solange er nicht geändert ist. Folge: Der Verlust darf (noch) nicht in zutreffender Höhe festgestellt werden. Die Sachprüfung wird per Gesetz vom Feststellungsverfahren in das Veranlagungsverfahren verlagert. Prozessrechtlich ergibt sich daraus, dass dann auch gegen den Steuerbescheid geklagt werden kann (muss). Die Beschwer ergibt sich (ohne Rücksicht auf die Steuerfestsetzung) aus den (noch fehlenden) Besteuerungsgrundlagen, bzw. aus der negativen Bindungswirkung. Welche Klageart gegeben ist, welche Anträge gestellt werden müssen und wie im Fall der Stattgabe zu tenorieren ist, ist noch nicht abschließend geklärt.

3. Dass die Klage gegen einen auf Null EUR lautenden Steuerbescheid zulässig sein kann, bedeutet nicht, dass sich die Klage mit dem Ziel der Verlusterhöhung stets gegen den Steuerbescheid richten müsste. Eine einfache Regel gibt es leider nicht. Dies verdeutlicht der Besprechungsfall. Ist die den Verlust (angeblich) erhöhende Besteuerungsgrundlage zwar dem Steuerbescheid zugrunde gelegt worden, bleibt aber streitig, ob sie überhaupt verlustwirksam ist, geht es nicht mehr um die Bindungswirkung des Steuerbescheids und um die Sachprüfung, sondern um eine Rechtsfrage, über die nicht im Veranlagungsverfahren, sondern im Feststellungsverfahren entschieden werden muss. Insoweit hat der Gesetzgeber nicht auch die Rechtsprüfung dem Veranlagungsverfahren zugeordnet. Das hatten die Kläger nicht bedacht.

4. Und wann ist nun eine Besteuerungsgrundlage dem Steuerbescheid zugrunde gelegt worden?

a) In seinem Urteil vom 12.7.2016 hat der BFH dazu einen überschießenden Grundsatz formuliert, wonach die Besteuerungsgrundlage die festgesetzte Steuer gemindert haben muss.

b) Das Besprechungsurteil nimmt diese Aussage zumindest partiell zurück. Wenn sich die Klage zulässigerweise gegen einen Nullbescheid richtet mit dem B...

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