rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertungsverbot für Ermittlungen der Außenprüfung zur zielgerichteten Erforschung der Verhältnisse Dritter

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Außenprüfung darf nicht zu dem Zweck durchgeführt werden, die Verhältnisse Dritter zu erforschen. Die Geschäftsunterlagen eines Stpfl. dürfen weder gezielt unter Anlegung eines vorgegebenen Rasters noch „ins Blaue hinein” nach steuererheblichen Verhältnissen Dritter durchforstet werden.
  2. Überprüft die Finanzverwaltung im Rahmen von Außenprüfungen bei verschiedenen Gaststätten die Ausrichter von Familienfeiern mit Namen und Anschrift und werden dann an die so ermittelten Personen Auskunftsbegehren gerichtet, in denen u.a. nach Namen und Vergütung der Musikkapelle gefragt wird, die auf der jeweiligen Familienfeier gespielt hat, ist die Ermittlung der Namen und Anschriften der Mieter im Rahmen der Außenprüfung bei den Saalbetrieben rechtswidrig. Das rechtswidrig erlangte Kontrollmaterial darf nicht verwertet werden und unterliegt einem Verwertungsverbot. Eine Hinzuschätzung aufgrund des Kontrollmaterials ist unzulässig.
 

Normenkette

AO § 194 Abs. 3, § 208 Abs. 1 Nr. 3

 

Streitjahr(e)

1995, 1996, 1997, 1998

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.10.2006; Aktenzeichen VIII R 53/04)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Hinzuschätzungen für die Jahre 1995 bis 1998.

Die Klägerin ist eine Tanzkapelle in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus zwei bzw. drei (199x) Mitgliedern. Die Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Auf Aufforderung des Beklagten reichte die Klägerin für jedes Jahr eine Aufstellung über die absolvierten Auftritte ein.

Der Beklagte bezweifelte die Vollständigkeit der angegebenen Einnahmen und bat die Klägerin in einer Anlage zum Gewinnfeststellungsbescheid 1996 vom xx.xx.1997 um Überprüfung. In der Folgezeit (November 1997 bis Oktober 1998) wurden mehrere Saalbetriebe zur Außenprüfung vorgeschlagen. Die in der Meldung genannten Gründe für die Prüfungswürdigkeit bezogen sich nicht auf die Tanzkapelle. Im Rahmen der Außenprüfungen bei den Saalbetrieben ermittelten die Außenprüfer, dass die Gastwirte in keinen unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu den Tanzkapellen standen. Vielmehr beauftragten die jeweiligen Mieter der Säle die Kapellen. Daraufhin erfassten die Außenprüfer die Mieter mit Name und Anschrift.

In den Jahren 1998 und 1999 richtete der Beklagte Auskunftsbegehren an die Mieter der Säle. Es wurde danach gefragt, welche Musikkapelle aufgetreten sei und welcher Preis für die Kapelle gezahlt worden sei. Das Begehren wurde auf § 93 Abgabenordnung (AO) gestützt. Den Angeschriebenen wurde mitgeteilt, dass die Auskünfte nicht für die eigene Besteuerung benötigt würden. In den Akten befinden sich über 40 Auskunftsbegehren, die später der Klägerin zugeordnet wurden.

Die Antworten wurden teilweise schriftlich, zumeist aber telefonisch erteilt. Sie wurden bei einer telefonischen Auskunft handschriftlich dokumentiert, häufig ohne Datum und Namenszeichen. Die Auswertung der Auskünfte ergab, dass die Klägerin Auftritte teilweise überhaupt nicht erfasst hatte bzw. teilweise niedrigere Einnahmen erfasst hatte, als ihr nach den Angaben der Mieter zugeflossen waren.

Daraufhin fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Es wurde ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder der Klägerin eingeleitet. Der Außenprüfer wertete die Auskünfte der Saalmieter aus und schätzte einen Unsicherheitszuschlag hinzu:

in DM

nicht erfasst

Hinzuschätzung

Summe (nach Rundung)

1995

10.xxx

13.xxx

24.xxx

1996

17.xxx

14.xxx

31.xxx

1997

10.xxx

15.xxx

28.xxx

1998

5.xxx

3.xxx

8.xxx

Dementsprechend erhöhte der Beklagte mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden vom xx.xx.2000 den Gewinn der Klägerin. Der hiergegen erhobene Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom xx.xx.2000 zurückgewiesen. Mit am xx.xx.2000 erhobener Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Das der Schätzung zugrunde liegende Kontrollmaterial unterliege einem Verwertungsverbot. Der Beklagte habe systematisch Saalbetriebe geprüft, um in einem Massenverfahren Daten und Erkenntnisse über Musikkapellen zu erlangen. Den Außenprüfern sei es nur gestattet, „anlässlich” einer Außenprüfung festgestellte Verhältnisse Dritter im Wege der resortinternen Amtshilfe mitzuteilen. Eine Außenprüfung dürfe nicht eigens zu dem Zweck durchgeführt werden, um Verhältnisse anderer Personen zu erforschen. Zwischen den Musikkapellen und dem jeweiligen Saalbetrieben hätten keinerlei Rechtsbeziehungen bestanden. Rechtsbeziehungen hätten nur zwischen dem Ausrichter der Familienfeiern und der Kapelle bestanden. Die Verhältnisse der Kapelle lägen außerhalb des Wirkungskreises der gegen die Saalwirte erlassenen Prüfungsanordnung. Die Außenprüfung sei rechtswidrig zur Beschaffung von Adressdaten missbraucht worden.

Die Betriebsprüfung überschreite ihre Befugnisse, wenn sie ohne sachlichen Zusammenhang mit der Prüfung...

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