vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung insbesondere der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung bei einem in Deutschland tätigen, verheirateten Arbeitnehmer, dessen Ehepartner im Ausland die zuvor als Ehewohnung genutzte Wohnung beibehält

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die für eine doppelte Haushaltsführung erforderliche finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung muss bei Fällen mit Auslandsbezug nicht unterstellt werden, nur weil der Arbeitnehmer verheiratet ist.
  2. Die Finanzverwaltung ist dazu berechtigt, sich in jedem Einzelfall die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nachweisen zu lassen.
  3. Zu den Lebensführungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG zählen insgesamt diejenigen Aufwendungen zur Gestaltung des privaten Lebens, die einen Haushaltsbezug aufweisen, im Wesentlichen also Miet- und Hauskosten, Verbrauchs- und sonstige Nebenkosten, Aufwendungen für die Anschaffung und Reparatur von Haushaltsgeräten und -gegenständen, Kosten für Lebensmittel und Telekommunikationskosten. Kosten für Urlaub, Pkw, Freizeitgestaltung, Gesundheitsförderung sowie Kleidung u.Ä. zählen nicht zu den Lebenshaltungskosten.
  4. Der finanzielle Beitrag an den Kosten der Lebensführung darf nicht erkennbar unzureichend sein, weshalb er oberhalb einer Bagatellgrenze von 10% der gesamten haushaltsbezogenen Lebensführungskosten liegen muss.
 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 1 S. 1, § 38b Abs. 1 S. 2 Nrn. 3-5, § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 5, 5 Sätze 2-3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten anzuerkennen sind.

Die Klägerin wurde einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielte im Streitjahr – ab dem Monat Mai – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Klägerin wurde in N in Russland geboren. Im Jahr 2016 heiratete sie ihren ebenfalls aus Russland stammenden Ehemann, mit dem sie nach der Hochzeit die zuvor vom Ehemann allein genutzte Wohnung in P in Russland bezog. Die Wohnung in P wurde dem Ehemann – und nach der Hochzeit auch der Klägerin – vom Vater des Ehemannes unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Seit Dezember 2017 arbeitete die Klägerin – zunächst unentgeltlich und sodann ab dem…Mai 2018 mit Festanstellung – als…in .... Ihren Lebensmittelpunkt hatte sie im Streitjahr jedoch weiterhin in der gemeinsamen Ehewohnung in P.

Ab dem…Mai 2018 mietete die Klägerin von der Stadt…das zuvor unentgeltlich überlassene Apartment für eine monatliche Miete von 451,24 EUR an. Für den Monat Mai betrug die zeitanteilige Miete 320,23 EUR. Ab dem 1. Oktober 2018 mietete sie sodann eine Wohnung an. Die monatliche Kaltmiete für diese Wohnung betrug 740 EUR und die monatlich zu zahlenden Nebenkosten 155 EUR. Zudem zahlte die Klägerin ab Oktober 2018 einen monatlichen Abschlag für Strom und Gas in Höhe von 140 EUR.

Die Klägerin reichte im April 2019 ihre Einkommensteuererklärung 2018 beim Beklagten ein. Sie gab an, dass sie ihren Lebensmittelpunkt seit dem 1. Januar 2015 in P in Russland habe. Für eine doppelte Haushaltsführung machte sie rechnerisch insgesamt 9.166 EUR als Werbungskosten geltend, die sich wie folgt zusammensetzten:

Familienheimfahrten

 615 EUR (Flug)

1.184 EUR (Fahrten)

Verpflegungsmehraufwendungen für insg. 90 Tage

2.136 EUR

Mietkosten inklusive Nebenkosten von Mai bis Dezember 2018 5.231 EUR.

Im Einkommensteuerbescheid 2018 vom 16. Dezember 2019 erkannte der Beklagte die Aufwendungen im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung in P nicht an.

Der Beklagte ging zunächst davon aus, dass nicht erkennbar sei, dass der Lebensmittelpunkt der Klägerin weiterhin in Russland gelegen habe und dass – aufgrund der geringen Anzahl von Reisen zur Wohnung in P – eine maßgebliche persönliche Mitwirkung am dortigen Hausstand nicht gegeben sei. Er hat jedoch im laufenden Klageverfahren ausdrücklich klargestellt, dass nicht mehr infrage gestellt werde, dass die Klägerin im Streitjahr in P einen eigenen Haushalt mit ihrem Ehemann geführt hat. Zwischen den Beteiligten ist daher nur noch die Frage der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung streitig.

Zur fehlenden finanziellen Mitwirkung der Klägerin an dem Hausstand in P führte der Beklagte im Einkommensteuerbescheid aus, dass eine Abbuchung von 50 EUR bar und Abbuchungen von Kleinstbeträgen vom Konto der Klägerin für Lebensmittel und Bekleidung keine doppelte Haushaltsführung begründeten.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchs begehrte die Klägerin die Anerkennung von Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 7.982 EUR. Die Fahrtkosten für Familienheimfahrten in Höhe von 1.184 EUR machte sie nicht weiter geltend.

Aufgrund der geringen Lebenshaltungskosten in Russland sei die 10 %-Grenze hinsichtlich der Beteiligung an den Lebenshaltungskosten überschritten....

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