Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit bei versehentlich unterbliebener Aufhebung der Werbungskostenkürzung beim Übergang von der teilweise unentgeltlichen zur vollentgeltlichen Vermietung eines Mehrfamilienhauses

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat es ein Steuerpflichtiger versehentlich unterlassen, veränderte Nutzungsverhältnisse bei der Vermietung eines Mehrfamilienhauses (Im Streitfall: eine zuvor unentgeltlich überlassene Wohnung wurde im Streitjahr vollentgeltlich vermietet) bei der Höhe der abzugsfähigen AfA-Beträge zu berücksichtigen (im Streitfall: Beibehaltung der vorherigen anteiligen Kürzung) und war dieses Versehen aus den Steuerakten des Finanzamtes klar erkennbar. ist der betreffende - bestandskräftige - Einkommensteuerbescheid gemäß § 129 AO zu berichtigen.

 

Normenkette

AO 1977 § 129

 

Streitjahr(e)

2016

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Änderung des Einkommensteuerbescheides 2016.

Die Klägerin ist ledig und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Für das Streitjahr reichte sie eine Einkommensteuererklärung mit Anlagen beim beklagten Finanzamt ein und erklärter dabei u. a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Objekte ”F-Straße 29 und 31“ in L.

Die Klägerin hatte jeweils eine Wohnung in diesen Objekten bis einschließlich 2015 unentgeltlich an jeweils eine Tochter überlassen. Auf der Anlage V der Steuererklärung des Vorjahres 2015 für das Objekt F-Straße 29 hatte die Klägerin deshalb in Zeile 7 des Vordrucks (Kennziffer 62) angegeben, dass das Objekt nicht teilweise an Angehörige zu Wohnzwecken vermietet war. Die Wohnfläche für dieses Objekt wurde mit 218,16 m² angegeben, davon eigengenutzter oder unentgeltlich an Dritte überlassener Wohnraum 152,42 m². Entsprechend des vermieteten Anteils wurden die Werbungskosten (AfA und weitere Werbungskosten) um 69,87 % gekürzt. Aus einer selbstgefertigten Anlage zu dieser Anlage V ergab sich, dass der Anteil von 69,87 % auf die unentgeltlich an die Tochter M überlassene Wohnung entfiel und die restliche vermietete Wohnfläche auf eine Anwaltskanzlei (ab 2/2015).

Auf der Anlage V zur Steuererklärung 2015 für das Objekt F-Straße 31 machte die Klägerin entsprechende Angaben (Gesamtwohnfläche 189,98 m², davon eigengenutzter oder unentgeltlich an Dritte überlassener Wohnraum 133,63 m²). Für dieses Objekt ergab sich ein nichtbezugsfähiger Anteil der AfA und übrigen Werbungskosten in Höhe von 70,34 %. Auch hier ergab sich aus einer selbstgefertigten Anlage zu der Anlage V, dass der Anteil von 70,34 % auf die unentgeltlich der Tochter C überlassene Wohnung entfiel und die restliche vermietete Wohnfläche auf ”J EG Laden“.

Für das Streitjahr 2016 gab die Klägerin wiederum jeweils eine Anlage V für die Objekte F-Straße 29 und 31 ab. Im Unterschied zu den Anlagen V des Vorjahres gab die Klägerin hier in der Zeile 7 des Vordrucks (Kennziffer 62) jeweils an, das Objekt ganz oder teilweise an Angehörige zu Wohnzwecken vermietet zu haben. Im Unterschied zum Vorjahr wurde jeweils die Kennziffer 55 der Anlage V, in der Angaben zur Eigennutzung oder unentgeltlichen Überlassung an Dritte zu machen sind, nicht mehr ausgefüllt. Stattdessen wurde jeweils erstmalig die Zeile 12 (Einnahmen für an Angehörige vermietete Wohnungen) ausgefüllt. Gleichwohl erklärte die Klägerin in Zeile 33 des Vordrucks wie im Vorjahr jeweils einen nichtabzugsfähigen Anteil der AfA in Höhe von 69,87 % bzw. 70,34 %. Auch in den wiederum selbstgefertigten Anlagen zu den Anlagen V gab die Klägerin an, eine Wohnung jeweils an Angehörige vermietet zu haben. Dabei war aus diesen Anlagen ersichtlich, dass die diesen Kürzungen zugrundeliegenden Wohnflächenanteile mit denen des Vorjahres identisch waren (F-Str. 29: Gesamtwohnfläche 218,16 qm, an T und M R vermietete Fläche 152,43 qm; F-Str. 31: Gesamtwohnfläche 189,98 qm, an Tochter C vermietete Fläche 133,63 qm). Auch die Mieter der verbleibenden Wohnflächen hatten sich danach nicht verändert.

Das beklagte Finanzamt folgte den Angaben auf den Anlagen V in vollem Umfange und berücksichtigt im Einkommensteuerbescheid 2016 vom 10. November 2017 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärungsgemäß.

Am 23. Januar 2019 beantragte die Klägerin die Änderung des vorgenannten Einkommensteuerbescheides nach § 129 der Abgabenordnung (AO). Im Bescheid habe noch eine Kürzung der AfA stattgefunden, obwohl die Objekte ab dem 1. Januar 2016 vollentgeltlich vermietet seien. Hierbei handele es sich um eine offenbare Unrichtigkeit. Sämtliche Vermietungsobjekte seien in 2016 vollständig vermietet gewesen. Es sei lediglich irrtümlich versäumt worden, die Kürzung der AfA zu löschen.

Mit Bescheid vom 4. April 2019 lehnte das beklagte Finanzamt den Änderungsantrag jedoch ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte ging davon aus, dass der streitbefangene Einkommensteuerbescheid nicht offenbar unrichtig im Sinne des § 129 AO sei. Das beklagte Finanzamt sei den erklärten Angaben in der Steu...

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