Leitsatz

1. § 198 BewG eröffnet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, als er sich aus den typisierenden Bewertungsvorschriften des BewG ergäbe. Die Nachweislast geht über die Darlegungs- und Feststellungslast hinaus.

2. Soll der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch Vorlage eines Gutachtens erbracht werden, muss das Gutachten entweder durch den örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erstellt sein (Anknüpfung an das Senatsurteil vom 11.9.2013 – II R 61/11, BFHE 243, 376, BStBl II 2014, 363; gegen die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.2.2014).

3. Ob das Gutachten den Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des FA und des FG. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne weitere Beweiserhebung, insbesondere Einschaltung weiterer Sachverständiger, gefolgt werden kann.

 

Normenkette

§ 9, § 151, § 157, § 198 BewG, § 36, § 36a GewO, § 1 AkkStelleG, § 1 AkkStelleGBV

 

Sachverhalt

Am 1.3.2016 übertrug die bisherige Eigentümerin ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück im Wege der Schenkung an die Kläger zu Miteigentum nach Bruchteilen. Das FA stellte mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 1.3.2016 für Zwecke der Schenkungsteuer den Grundbesitzwert und die entsprechenden Anteile der Kläger fest.

Zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts legten die Kläger ein Verkehrswertgutachten des C vor. C verfügt seit Juni 2000 über ein unbefristetes Zertifikat als "Sachverständiger für Wertermittlung und Baukostenplanung", das den Klägern zufolge den Maßgaben des AkkStelleG und der AkkStelleGBV für die Durchführung von Zertifizierungen nach DIN EN ISO/IEC 17024:2012 entsprechen soll.

Mit den Einspruchsentscheidungen folgte das FA dem Gutachten nur zum Teil und setzte den Grundstückswert entsprechend herab. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.

Die Klage blieb erfolglos. Das FG nahm an, der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG sei den Klägern nicht gelungen. C sei nicht öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, sein Gutachten daher nicht als Nachweis zulässig. Eine Zertifizierung nach dem AkkStelleG und der AkkStelleGBV genüge nicht (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.1.2018, 3 K 3178/17, Haufe-Index 11635649, EFG 2018, 825).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Das FG habe zu Recht erkannt, dass bei der Wertfeststellung nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 BewG der bewertungsrechtlich typisierte Wert anzusetzen sei. Das Gutachten des C könne nicht zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen, da C nicht öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger sei.

 

Hinweis

1. Der Wert eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks ist in erster Linie gemäß §§ 157 Abs. 3 Satz 1, 177, 180 Abs. 1 Satz 1, 181 Abs. 1 Nr. 1, 182 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BewG nach dem typisierten Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Demgegenüber lässt § 198 BewG unter bestimmten Voraussetzungen den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) zu.

2. Für diesen Nachweis gelten grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften (§ 198 Satz 2 BewG).

a) Die nach § 198 BewG dem Steuerpflichtigen zugewiesene Nachweislast geht über die reine Darlegungs- und Feststellungslast hinaus. Wie der Nachweis zu erbringen ist, regelt die Vorschrift nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss der Steuerpflichtige den Nachweis selbst erbringen. Dies kann durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis oder durch Vorlage eines geeigneten Gutachtens geschehen. Ob das Gutachten den Nachweis erbringt, unterliegt insoweit der freien Beweiswürdigung durch das FA und ggf. das FG, als zu prüfen ist, ob der Nachweis gelungen ist. Dies setzt voraus, dass dem Gutachten ohne weitere Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen, etwa durch Bestellung weiterer Sachverständiger, gefolgt werden kann. Der Nachweis kann nicht dadurch geführt werden, dass der Steuerpflichtige die Beweiserhebung, etwa durch gerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens, beantragt. Das vorzulegende Gutachten ist als Privatgutachten urkundlich belegtes Parteivorbringen.

b) Es muss sich um das Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handeln (ebenso bereits BFH, Urteil vom 11.9.2013, II R 61/11, BFH/NV 2014, 208, BStBl II 2014, 363). Der BFH folgt somit nicht der großzügigeren Linie der Finanzverwaltung, die auch Gutachten anderer Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken akzeptiert (gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.2.2014, BStBl I 2014, 808), die Gerichte aber nicht bindet. Nur das Gutachten eine...

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