Leitsatz

1. Die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen setzt im Falle von psychotherapeutischen Behandlungen und der medizinisch erforderlichen auswärtigen Unterbringung eines an einer Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen voraus, dass die in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV normierten Nachweise erbracht werden.

2. Diese Nachweise können nicht durch andere Unterlagen ersetzt werden.

 

Normenkette

§ 33 EStG, § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b und c, Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV

 

Sachverhalt

Der 1992 geborene Sohn M der Eheleute K war wegen ADHS mit Schulverweigerung untergebracht; zu dessen psychotherapeutischer, schulpsychologischer Behandlung mit Beschulung gewährte die Landeshauptstadt X Jugendhilfe (Eingliede­rungshilfe, § 35a Abs. 2 Nr. 4 (SGB VIII). X setzte gegen K einen Kostenbeitrag nach §§ 91ff. SGB VIII fest (monatlicher Kostenbeitrag ca. 530 EUR, später 1.010 EUR). Diese Aufwendungen (12.741 EUR mit den Nachzahlungen) machte K als agB nach § 33 EStG geltend. Das FA ermittelte unter Beachtung des Zu- und Abflussprinzips die in 2007 getragenen Aufwendungen des Klägers, zog in 2007 er­haltene  Erstattungen ab und ging von einer Haushaltsersparnis von monatlich 644 EUR aus. Es ­be­rücksichtigte außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 4.387 EUR und nach Einspruch weitere 1.417 EUR. Die Klage auf Berücksichtigung weiterer Aufwendungen wies das FG ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.2.2013, 12 K 84/12, Haufe-Index 6420247).

 

Entscheidung

Vor dem FG ging es um die Berücksichtigung der Kosten der Höhe nach. Der BFH sah aber schon dem Grunde nach mangels Nachweis – wie in den Praxis-Hinweisen erläutert – keine Grundlage für die Berücksichtigung der Aufwendungen und wies daher die Revision zurück. Eine weitere Schlechterstellung der K (überhaupt kein Abzug) war ausgeschlossen, da nicht das FA, sondern nur K die Revision geführt hatten.

 

Hinweis

1. Krankheitskosten werden als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt, soweit sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit getätigt werden. Dies gilt insbesondere für Kosten der eigentlichen Heilbehandlung; insoweit bedarf es grundsätzlich keiner Prüfung der Zwangsläufigkeit nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG (dazu: BFH, Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BFH/NV 2012, 1373, BFH/PR 2012, 310 BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577). Die Zwangsläufigkeit wird durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachgewiesen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV).Aber für die abschließend geregelten Katalogfälle des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV (dazu BFH, Urteile vom 6.2.2014, VI R 61/12, BFH/NV 2014, 771, BFH/PR 2014, 223) gelten besondere Nachweisanforderungen: Die Zwangsläufigkeit ist durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche ­Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) nachzuweisen.

2. Die Klage/Revision scheiterte hier an einem solchen vor Beginn der Maßnahme geführten Nachweis der Zwangsläufigkeit. In Fällen der Eingliederungshilfe soll zwar der Träger der Jugendhilfe die Stellungnahme eines Arztes/Psychotherapeuten einholen. Das ersetzt aber weder das amtsärztliche Gutachten noch die Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse. Nachdem die erhöhten Nachweisanforderungen auch rückwirkend gelten (§ 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVer­einfG 2011), ohne dass dagegen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, kam der Abzug der in den Jahren 2006/2007 entstandenen Aufwendungen nicht in Betracht, auch wenn die Rechtsänderung dazu erst im Jahr 2011 erfolgte (dazu BFH/PR 2012, 310).

3. Ergebnis: Aufwendungen aufgrund der krankheitsbedingten Unterbringung des M waren zwar entstanden, umfassten aber Maßnahmen mit besonderen Nachweisanforderungen (psychotherapeutische Behandlung, § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b EStDV; auswärtige Unterbringung aufgrund einer Behinderung, § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. c EStDV); die Nachweisanforderungen waren nicht erfüllt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.01.2015, VI R 85/13

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