Leitsatz

Die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz in Großbritannien, hatte 1992 ein Gerät an einen inländischen Abnehmer geliefert und die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) entrichtet. Ihrem Antrag auf Vergütung der EUSt als Vorsteuer an das Bundesamt für Finanzen (BfF) legte sie die Zweitausfertigung eines Ersatzbelegs der Zollstelle für Zwecke des Vorsteuerabzugs bei. Dessen Erstausfertigung konnte unstreitig nicht vorgelegt werden (Verlust).

1. Im Ausland ansässige Unternehmer haben den → Vorsteuerabzug im Inland unter bestimmten Voraussetzungen im sog. Vorsteuervergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG, §§ 59 ff. UStDV) durchzuführen. Nach § 61 Abs. 1 Satz 5 UStDV (seit 1980) – seit 3. 6. 1995 unmittelbar nach § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG – hat der Unternehmer dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beizufügen.

2. Auch die gemeinschaftsrechtliche Grundlage in Art. 3 Buchst. a der 8. Richtlinie verlangt die Beifügung dieser Originale. Der EuGH, Urteil v. 11. 6 1998, Rs. C-361/96, UVR 1998 S. 275, hat Art. 3 Buchst. a der 8. Richtlinie aufgrund des Diskriminierungsverbots (Art. 6 EG-Vertrag) dahin ausgelegt, daß der im Ausland ansässige Steuerpflichtige im Vergütungsverfahren für den Nachweis der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht schlechter gestellt werden darf, als ein im Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger, wenn dieser bei (von ihm nicht zu vertretendem) Abhandenkommen der ihm zugegangenen Originalrechnung die Voraussetzungen durch Vorlage einer Zweitschrift oder Ablichtung der Originalrechnung führen darf.

3. Da ein im Inland ansässiger Unternehmer im allgemeinen Veranlagungsverfahren den Nachweis seines Anspruchs auf Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 UStG) mit allen verfahrensrechtlichen Beweismitteln führen kann (z. B. BFH, Urteil v. 16. 4. 1997, BStBl 1997 II S. 582), kann auch der im Ausland ansässige Unternehmer im Vergütungsverfahren den Nachweis seines Vorsteuerabzugsrechts durch Vorlage der Zweitschrift des Ersatzbelegs führen, und zwar (so das Besprechungsurteil) ohne daß es darauf ankommt, aufgrund welcher Umstände die Erstschrift des Ersatzbelegs nicht vorgelegt werden kann. Denn auch im allgemeinen Verfahren zum Vorsteuerabzug kommt es nicht darauf an, ob die Originalrechnung dem Unternehmer schuldhaft abhanden gekommen ist.

4. Es muß nur feststehen, daß der dem Vergütungsanspruch zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, daß weitere Vergütungsansprüche – bzw. der Vorsteuerabzug im allg. Veranlagungsverfahren – geltend gemacht werden ( → Rechnungen/Gutschriften ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.11.1998, V R 102/96

Hinweise:

Es handelt sich um eine Folgeentscheidung zur EuGH-Rechtsprechung, die auf Vorlagen des FG Köln (v. 29. 8. 1996, EFG 1996, 1248) und des BFH (v. 2. 10. 1997, V R 102/96, BFH/NV 1998, 551) erging. Der EuGH (s. o. zu 3.) hatte die in der 8. Richtlinie ausdrücklich aufgestellte Voraussetzung der Vorlage der Originalbelege aufgrund des Diskriminierungsverbots nach dem EG-Vertrag (also übergeordneten Grundsätzen) begrenzt: Soweit der inländische Unternehmer im Veranlagungsverfahren bei Verlust der Originalrechnung den Nachweis seines Vorsteuerabzugsrechts durch andere Nachweismittel belegen darf, darf der ausländische Unternehmer im Vergütungsverfahren nicht schlechter gestellt werden. Hervorzuheben ist, daß der BFH die vom EuGH angeführte Voraussetzung des vom Steuerpflichtigen nicht zu vertretenden Abhandenkommens einer Rechnung als irrelevant behandelt. Diese Voraussetzung kam offenbar auf einer etwas überschießenden Formulierung der Vorlage des FG Köln in das EuGH-Urteil. Sie gibt es – wie die Darstellung durch das Urteil zeigt – im allgemeinen Veranlagungsverfahren nicht. Auch im Billigkeitsverfahren können diese Voraussetzungen – erschwerend – nicht hinzukommen. Das EuGH-Urteil zeigt, daß insoweit keine unterschiedliche Behandlung in einem Billigkeitsverfahren oder einem Steuerfestsetzungsverfahren zulässig ist. Das FG Köln hatte dem EuGH im Erlaßverfahren vorgelegt, der BFH im Anfechtungsverfahren desselben Unternehmers, aber auf Anregung des EuGH nach dessen o. g. Vorabentscheidung die Vorlage zurückgenommen. Für die Nachweisführung mit „anderen” Beweismitteln wegen Verlusts des Originals zur Vorsteuervergütung braucht sich der ausländische Unternehmer somit – entgegen der strengen Wortlautvoraussetzung des § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG – nicht auf ein Billigkeitsverfahren vertrösten zu lassen.

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