Leitsatz

1. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verpflichten Einzelhändler wie z.B. Apotheker, im Rahmen der Zumutbarkeit sämtliche Geschäftsvorfälle einschließlich der über die Kasse bar vereinnahmten Umsätze einzeln aufzuzeichnen.

2. Verwendet ein Einzelhändler, der in seinem Betrieb im Allgemeinen Waren von geringem Wert an ihm der Person nach nicht bekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkauft, eine PC Kasse, die detaillierte Informationen zu den einzelnen Verkäufen aufzeichnet und eine dauerhafte Speicherung ermöglicht, so sind die damit bewirkten Einzelaufzeichnungen auch zumutbar.

3. Die Finanzverwaltung ist in diesem Fall nach § 147 Abs. 6 AO im Rahmen einer Außenprüfung berechtigt, Zugriff auf die Kasseneinzeldaten zu nehmen.

 

Normenkette

§ 146 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1, § 147 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 6 Satz 2 AO, § 238 Abs. 1, § 239 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 HGB

 

Sachverhalt

Die buchführungspflichtige Klägerin, eine Apothekerin, verwendete ein speziell für Apotheken entwickeltes PC-gestütztes Erlöserfassungssystem mit integrierter Warenwirtschaftsverwaltung. Ihre Tageseinnahmen wurden über modulare PC-Registrierkassen erfasst, dann durch Tagesendsummenbons ausgewertet und als Summe in ein manuell geführtes Kassenbuch eingetragen. Anlässlich einer Außenprüfung verweigerte die Klägerin der Finanzbehörde den Datenzugriff auf ihre Warenverkäufe mit der Begründung, sie sei nicht zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG war im Wesentlichen der Ansicht, das FA sei – insbesondere unter Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 12.5.1966, IV 472/60 (BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371) – nicht berechtigt gewesen, Einsicht in die angeforderte Verkaufsdatei zu nehmen, da die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, die von ihr getätigten Verkäufe im Einzelnen manuell oder auf einen Datenträger aufzuzeichnen (Hessisches FG, Urteil vom 24.4.2013, 4 K 422/12, Haufe-Index 4805071, EFG 2013, 1186).

 

Entscheidung

Der BFH war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen anderer Auffassung. Er hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.

 

Hinweis

1. Einzelhändler sind nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung verpflichtet, im Rahmen der Zumutbarkeit sämtliche Geschäftsvorfälle einschließlich der über die Kasse bar vereinnahmten Umsätze einzeln aufzuzeichnen. Wird dabei eine PC-Kasse verwendet, die detaillierte Informationen zu den einzelnen Barverkäufen aufzeichnet und diese dauerhaft speichert, sind die damit bewirkten Einzelaufzeichnungen auch zumutbar. Die Finanzverwaltung kann dann im Rahmen einer Außenprüfung nach § 147 Abs. 6 AO auf die Kasseneinzeldaten zugreifen. Dies ist die kurze Quintessenz dieses Urteils sowie der Parallelentscheidungen X R 29/13 und X R 47/13 vom selben Tag, die insbesondere Apotheker sehr interessieren dürften, da in der letzten Zeit von einigen FG unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Vorlageverpflichtung vertreten worden waren. Neben der Vorinstanz hatte das FG Münster mit Urteil vom 10.10.20013, 2 K 4112/12 E, EFG 2014, 91 eine Verpflichtung verneint, während das FG Sachsen-Anhalt am 23.5.2013, 1 K 396/12 die Pflicht bejaht hatte.

2. Zwar hatte der BFH noch in seinem Urteil vom 12.5.1966, IV 472/60 (BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371) die Einzelaufzeichnungspflicht für Einzelhandelsgeschäfte – für Betriebe, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden – dahingehend eingeschränkt, dass die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufgezeichnet zu werden brauchen. Ausschlaggebend für den BFH war aber, dass es in der damaligen Zeit (Streitjahr war 1956!) technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich war, an die Aufzeichnung der einzelnen zahlreichen baren Kassenvorgänge in Einzelhandelsgeschäften gleiche Anforderungen wie bei anderen Handelsgeschäften zu stellen. Es wäre unzumutbar gewesen, vom Geschäftsinhaber zu fordern, zwecks Identifizierung und Bestimmung des Inhalts des Geschäfts sowohl Namen und Anschrift des Kunden und den Gegenstand des Kaufvertrages festzuhalten.

3. Die Umstände haben sich inzwischen aber grundlegend geändert. Die Frage der Zumutbarkeit stellt sich dann nicht mehr, wenn sich der Steuerpflichtige entschieden hat, ein modernes PC-Kassensystem einzusetzen, das zum einen sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert aufzeichnet (mithin insbesondere die in Geld bestehende Gegenleistung sowie den Inhalt des Geschäfts) und zum anderen auch eine langfristige Aufbewahrung (Speicherung) der getätigten Einzelaufzeichnungen ermöglicht. Hiermit kommt der Steuerpflichtige der ihm obliegenden Verpflichtung zur Aufzeichnung der einzelnen Verkäufe nach. Es handelt sich also um keine freiwilligen Aufzeichnungen.

4. Aus dieser Aufzeichnungspflicht folgt die Aufbewahrungspflicht gemäß § 147 Abs. 1 AO, sodass der Steuerpflichtige auch gemäß § 147 Abs. 6 Sa...

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