Leitsatz

Eine Zurückrechnung der bei der Bewertung im Ertragswertverfahren zugrunde zu legenden Mieten aus aktuellen Mietspiegeln ist nicht zulässig.

 

Normenkette

§ 23, § 27, § 76 Abs. 1, § 78, § 79, § 80 BewG

 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb ein bebautes Grundstück, das er in fünf Wohnungseigentumseinheiten aufteilen ließ (sowie auf zwei Garagen in Teileigentum). Das FA erließ im Wege der Nachfeststellung Einheitswertbescheide, die letztlich als Grundlage für die Grundsteuermessbeträge dienten. Die Wohnungen wurden im Ertragswertverfahren bewertet. Das FA bediente sich hierzu eines Mietspiegels. Diese von der Verwaltung verwendeten Mietspiegel weisen die Mieten zum Stand vom 1.1.1964 aus.

Der Kläger wandte sich im Einspruchs- und Klageverfahren erfolglos gegen die Einheitswertbescheide. Die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.4.2014, 3 K 3370/10, Haufe-Index 7013564, EFG 2014, 1460) war der Auffassung, die festgestellten Einheitswerte entsprächen den Vorgaben des Gesetzes; andere, "verfassungskonforme" Auslegungen der anzuwendenden Regelungen könnten nicht vorgenommen werden.

Gegen das finanzgerichtliche Urteil hat sich der Kläger mit der Revision gewandt und geltend gemacht, die Einheitsbewertung sei zum Stichtag des Streitfalles (1.1.2009) nicht mehr verfassungsgemäß. Jedenfalls müsse das Bewertungsrecht dahin gehend ausgelegt werden, dass die der Einheitsbewertung zugrunde liegenden Mieten durch "Zurückrechnung" aktueller Mietspiegel ermittelt werden.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und die Entscheidung des FG im Ergebnis bestätigt.

Die entscheidungserheblichen Vorschriften über die Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer waren entgegen der Meinung des FG im Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 nicht mehr verfassungsgemäß. Nach dem Urteil des BVerfG vom 10.4.2018 (1 BvL 11/14, DStR 2018, 791) ist die Ungleichbehandlung durch Wertverzerrungen nicht gerechtfertigt, mithin mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und eine gesetzliche Neuregelung ist bis Ende 2019 geboten. Zulässig ist eine weitere Anwendung der betroffenen Normen bis 31.12.2019 sowie nach Verkündung einer Neuregelung bis längstens 31.12.2024.

Die Einheitswerte, die das FA für die Wohnungseigentumseinheiten festgestellt hat, sind nicht zu beanstanden. Die Immobilien wurden zutreffend im Ertragswertverfahren nach § 76 Abs. 1 BewG bewertet. Der hier u.a. maßgebliche Grundstückswert folgt gemäß § 78 Satz 2 BewG aus der Anwendung eines Vervielfältigers auf die zu erzielende Jahresrohmiete. Waren die Grundstücke im Hauptfeststellungszeitraum 1.1.1964 nicht vermietet, bestimmt sich die Jahresrohmiete nach § 79 Abs. 2 BewG nach der üblichen Miete. Diese übliche Miete ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen. Zur Ermittlung der üblichen Miete bedienen sich die Finanzämter der Mietspiegel, die aufgegliederte Quadratmeter-Mieten zum Stand 1.1.1964 aus­weisen.

Die Heranziehung dieser auf den Hauptfeststellungszeitpunkt bezogenen Mietspiegel ist grundsätzlich zulässig. Die vom Kläger gewünschte Rückrechnung aus aktuellen Mietspiegeln ist dagegen mit den genannten Vorschriften nicht vereinbar. Denn die im Ertragswertverfahren auf die Jahresrohmiete anzuwendenden Vervielfältiger sind ebenfalls nach den Verhältnissen des Jahres 1964 ermittelt.

 

Hinweis

Die Beteiligten streiten um den Einheitswert von Eigentumswohnungen; letztlich geht es um die Höhe der Grundsteuer.

Das FA hatte wegen der Entstehung neuer wirtschaftlicher Einheiten in Gestalt von Wohnungseigentum des Klägers eine sog. Nachfeststellung der Einheitswerte durchgeführt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Die hierzu herangezogenen Vorschriften der Einheitsbewertung waren nach Auffassung des Klägers wegen der mittlerweile eingetretenen Wertverschiebung verfassungswidrig. Jedenfalls der für die (Ertrags-)Bewertung erforderliche Mietspiegel war nach Dafürhalten des Klägers zu modifizieren. Dazu seien Werte aus einem aktuellen Mietspiegel auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 zurückzurechnen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.5.2018 – II R 37/14

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